Rz. 39
Der Beigeladene wird Beteiligter des Verfahrens (§ 69 Nr. 3 SGG) und kann selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen (§ 75 Abs. 4 Satz 1). Er kann, muss aber nicht, aktiv am Verfahren mitwirken. Ebenso wie die Hauptbeteiligten muss er über alle Verfahrensvorgänge informiert werden.
§ 75 Abs. 4 Satz 2 schränkt die verfahrensrechtlichen Befugnisse des einfach Beigeladenen ein und bindet ihn hinsichtlich der Sachanträge an das Prozessverhalten der Hauptbeteiligten. Die Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln bleibt davon unberührt. Der einfach Beigeladene kann nur innerhalb der Sachanträge der Hauptbeteiligten tätig werden, er darf dem Verfahren keine andere Richtung geben (BSG, Urteil v. 4.12.1958, 3 RK 7/58, BSGE 8 S. 291, 293). Der notwendig Beigeladene kann dagegen auch einen abweichenden Sachantrag stellen (§ 75 Abs. 4 Satz 2). Weder der einfach noch der notwendig Beigeladene kann die Hauptbeteiligten an einer Beendigung des Verfahrens durch Vergleich, Klagerücknahme oder Anerkenntnis hindern. Ein Beigeladener wird durch den Vergleich, an dem er nicht teilnimmt, nicht verpflichtet.
Rz. 40
Alle Beigeladenen haben eine eigene Rechtsmittelbefugnis. Da sich nach § 141 Abs. 1 SGG die Rechtskraft auf sämtliche Beteiligte des Verfahrens erstreckt, können Beigeladene grundsätzlich unabhängig von den Hauptbeteiligten Rechtsmittel einlegen (BSG, Urteil v. 11.5.1999, B 11 AL 69/98 R, SozR 3-1500 § 75 Nr. 31). Das Rechtsmittel kann jedoch nur Erfolg haben, wenn das Urteil den Beigeladenen materiell beschwert (vgl. BSG, Urteil v. 26.3.2003, B 3 KR 25/02 R, SozR 4-5565 § 14 Nr. 2; Urteil v. 11.5.1999, B 11 AL 69/98 R, SozR 3-1500 § 75 Nr. 31). Dabei reicht die Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen ohne einen Eingriff in bestehende Rechtspositionen nicht aus (BSG, Urteil v. 11.5.1999, B 11 AL 69/98 R, SozR 3-1500 § 75 Nr. 31). Der Beigeladene muss vielmehr geltend machen können, aufgrund der Bindungswirkung des angefochtenen Urteils nach § 141 SGG unmittelbar in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt zu sein (BSG, Urteil v. 29.3.2007, B 9a V 7/06 B, SozR 4-2600 § 118 Nr. 3).
Rz. 41
Wer zu einem Verfahren nicht beigeladen worden ist, aber beizuladen gewesen wäre, ist nicht Verfahrensbeteiligter und kann daher auch kein Rechtsmittel einlegen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 11.12.2009, L 9 KR 319/09 B ER), denn die Rechtsstellung eines Beteiligten am Verfahren erhält ein Beizuladender erst mit dem Beiladungsbeschluss (BSG, Beschluss v. 4.6.2002, B 12 KR 36/01).
Rz. 42
Nach Abs. 5 kann ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung verurteilt werden. Die Vorschrift soll aus Gründen der Prozessökonomie (vgl. BT-Drs. 1/4357 S. 26) die Verurteilung des beigeladenen Versicherungsträgers ermöglichen, wenn für dieselbe Leistung entweder der beklagte oder der beigeladene Versicherungsträger zuständig ist. Sie ist auch anzuwenden, wenn zwischen zwei Leistungen eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass sie z. B. auf ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet sind, die eine gegenüber der anderen jedoch vorrangig ist (vgl. BSG, Urteil v. 8.5.2007, B 2 U 3/06 R, SozR 4-2700 § 136 Nr. 3). Die Ansprüche gegen Beklagten und Beigeladenen müssen in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stehen, d. h., dass entweder ein Anspruch gegen den Beklagten oder gegen den Beigeladenen besteht (vgl. BSG, Urteil v. 24.5.1984, 7 RAr 15/82, BSGE 57 S. 1, 2 f.; BSG, Urteil v. 15.11.1979, 11 RA 9/79, BSGE 49 S. 143, 145 f.; Leitherer, SGG, § 75 Rn. 18). Einer vorherigen Ablehnung der begehrten Leistung durch Verwaltungsakt bedarf es vor der Verurteilung nicht. Der Anwendungsbereich des § 75 Abs. 5 ist nicht auf Leistungsklagen beschränkt (vgl. BSG, Urteil v. 17.12.1964, 3 RK 65/62, BSGE 22 S. 173, 174). Nicht anwendbar ist die Vorschrift in Verfahren über die Versicherungspflicht einer Person. Angesichts der gesetzlich abschließenden und eindeutig bestimmten Zuständigkeit der Einzugsstelle kommt ihre Verurteilung nach Beiladung nicht in Betracht, weil dies zu einer Umgehung des zwingend vorgeschriebenen Verwaltungsverfahrens gemäß § 28h Abs. 2 SGB IV führen würde (vgl. BSG, Urteil v. 25.3.2004, B 12 AL 5/03 R, SozR 4-2600 § 191 Nr. 1).