Rz. 10
Abs. 1 Satz 3 regelt die Fälle, in denen eine Verteilungs- und Zuweisungsentscheidung i. S. d. Abs. 1 Satz 1 (noch) nicht getroffen worden oder nicht mehr wirksam ist. Dies kommt z. B. dann häufig vor, wenn der Ausländer keinen Asylantrag gestellt hat. In diesen Fällen ist diejenige Behörde örtlich zuständig, in deren Bereich die Person sich tatsächlich aufhält (VG Arnsberg, Urteil v. 4.8.2004, 9 K 5019/02; Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG. § 10a Rz. 36). Maßgeblich ist die physische Anwesenheit der Person (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 10a Rz. 21 mit Hinweis auf BT-Drs. 13/2746 S. 18). Anderenfalls könnte die Vorschrift ihre Funktion als Auffangnorm nicht vollständig erfüllen (Groth, a. a. O., Rz. 38). Im Gegensatz zur örtlichen Zuständigkeit nach§ 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, die ohne Rücksicht auf den Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten grundsätzlich erhalten bleibt, kann die Zuständigkeit nach§ 10a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG je nach Wahl des Aufenthaltsortes wechseln.
Rz. 11
Die Zuständigkeit nach Abs. 1 Satz 3 wird auch als Auffangzuständigkeit bezeichnet, was in der Formulierung "im übrigen" seine Grundlage hat. Sie erfasst im Wesentlichen Personen, die keinen Asylantrag gestellt haben und die
- der Flughafenregelung unterliegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG),
- im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AsylbLG),
- im Besitz einer Duldung gemäß § 60a AufenthG sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG),
- vollziehbar ausreisepflichtig sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG) oder
- Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AsylbLG genannten Personen sind, ohne dass sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG; Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 10a Rz. 37).
Ob es sich um einen erlaubten oder unerlaubten Aufenthalt handelt, spielt für die Frage der örtlichen Zuständigkeit keine Rolle, denn wenn man von einem nicht rechtmäßigen Aufenthalt ausgeht, ist nach § 11 Abs. 2 ebenfalls der tatsächliche Aufenthaltsort maßgeblich, sodass die hierzu erörterten Auslegungsschwierigkeiten nicht ergebnisrelevant sind (vgl. dazu im Einzelnen Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 10a Rz. 23).
Rz. 12
Flüchtet sich eine Frau vor Übergriffen ihres Partners oder eines Dritten in ein Frauenhaus in einem anderen Ort, so ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich das Frauenhaus liegt (VG Arnsberg Urteil v. 4.8.2004, 9 K 5019/02; SG Münster, Beschluss v. 13.7.2007, S 16 AY 19/07 ER). Das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss v. 23.6.2016, L 20 AY 38/16 B ER) hält § 10a Abs. 2 für anwendbar. Es hat dazu ausgeführt: Die Zuständigkeit bei dringlichem Aufenthalt einer Leistungsberechtigten in einem Frauenhaus bestimmt sich bei Streit zwischen dem Leistungsträger des Ortes der Wohnsitzauflage und demjenigen des Ortes des Frauenhauses abweichend von § 10a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 4 AsylbLG nach der Eilfallvorschrift des § 10a Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 (Fassung des § 10a ab dem 24.10.2015).
Rz. 13
Verstößt die Behörde dabei gegen eine asylverfahrensrechtliche oder eine ausländerrechtliche Wohnsitzauflage, die regelmäßig mit der Duldung nach § 60a AufenthG verfügt wird, ändert dies an der Zuständigkeit der Behörde am Ort des Frauenhauses nichts. Das Gesetz sieht zwar nach § 11 Abs. 2 eine Reduzierung der Leistungen auf die unabweisbar gebotene Hilfe vor, wenn gegen wirksame räumliche Beschränkungen der Ausländerverwaltung verstoßen wird. Die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe i. S. d. § 11 Abs. 2 wird bei einer begründeten Flucht in ein Frauenhaus aber jedenfalls vorübergehend der volle Kostenansatz sein, den der Träger des Frauenhauses auch in sonstigen Fällen mit dem Leistungsträger der Sozialhilfe abrechnet (vgl. die Komm. zu § 11 Abs. 2). Zum Schutz des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit ist es hinzunehmen, dass dabei an den Träger des Frauenhauses vorübergehend Zahlungen zu leisten sind, die auch ein Mehrfaches der Grundleistungen nach § 3 betragen können. Zum (weiteren) Leistungsumfang bei § 11 Abs. 2 AsylbLG in atypischen Fällen (dringlicher Aufenthalt in einem Frauenhaus) vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.6.2016, L 20 AY 38/16 B ER. Je nach Gefährdungslage, die durch die zuständigen Leistungsträger unter Mitwirkung der Betroffenen aufzuklären ist, wird ein solcher Zeitraum auch monatelang andauern können. Das LSG Nordrhein-Westfalen subsumiert auch Frauenhäuser unter den Begriff der "Einrichtungen, die anderen Maßnahmen nach diesem Gesetz dienen" i. S. d. § 10a Abs. 2 (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.6.2016, L 20 AY 38/16 B ER). Das LSG Bayern sieht hinsichtlich der teilweise parallel gelagerten Problematik nach dem SGB II die Herkunftskommune als zuständig an, weil nicht ausgeschlossen sei, dass die Frau zum gewalttätigen Partner zurückkehre und der Aufenthalt im Fra...