Rz. 10
Die Fallgruppe 2 des Abs. 1 Satz 1 ist häufig Gegenstand sozialgerichtlicher Entscheidungen, wie dies zuvor auch zu Zeiten der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte schon der Fall war. Dabei bereitet vor allem die Abgrenzung zu den Leistungen nach § 4 (Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt) Schwierigkeiten. Der Begriff der Gesundheit in § 6 Abs. 1 Satz 1 umfasst nicht nur die menschliche Gesundheit im biologisch-physiologischen Sinne, sondern auch das psychische Wohlbefinden, sofern es den physischen Gesundheitsstörungen hinsichtlich des Ausmaßes der Beeinträchtigung vergleichbar ist (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6 Rz. 18).
Rz. 11
Unerlässlich ist eine der Sicherung der Gesundheit dienende Leistung dann, wenn sie aus medizinischer Sicht unbedingt erforderlich ist und eine gleich geeignete, möglicherweise auch kostengünstigere Möglichkeit der Versorgung nicht zur Verfügung steht (so auch Korff, in: BeckOK SozR, AsylbLG, § 6 Rz. 10). Als unerlässlich zur Sicherung der Gesundheit stellt sich die Gewährung von Leistungen regelmäßig auch dann dar, wenn die Situation besonders schutzbedürftiger Personen i. S. v. Art. 21 RL 2013/33/EU in Rede steht (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6 Rz. 19; Deibel, in: GK-AsylbLG, § 6 Rz. 144; LSG N, Urteil v. 6.5.2013, L 20 AY 145/11).
Rz. 12
§ 4 ist keine abschließende Regelung zur Übernahme von Arztkosten im Krankheitsfall, sodass bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 noch ein Anspruch nach der Auffangvorschrift des § 6 in Betracht kommt (Niedersächsisches OVG, Beschluss v. 8.4.1998, 12 M 1759/98). Dies folgt schon daraus, dass § 6 ausdrücklich von Leistungen zur Sicherung der Gesundheit spricht. Eine Anwendung des § 6 kommt daher insbesondere in Betracht, wenn es um die Behandlung der von § 4 grundsätzlich nicht erfassten chronischen Erkrankungen geht (Frerichs, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 6 Rz. 69 ff.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 11.1.2007, L 7 AY 6025/06). Das LSG Baden-Württemberg hat übereinstimmend mit der Kommentarliteratur entschieden, dass § 6 Abs. 1 den Anspruch aber auf unerlässliche Bedarfsdeckungen beschränke (a. a. O.). Eine Bedarfsdeckung sei dann unerlässlich i., d. § 6 Abs. 1, wenn die ins Auge gefassten Leistungen zur Sicherung der Gesundheit und des Lebens des Leistungsberechtigten unumgänglich, also unverzichtbar seien (LSG Baden-Württemberg, a. a. O.).
Rz. 13
Bei der Prüfung eines Anspruchs aus Abs. 1 Satz 1 auf Behandlung chronischer Erkrankungen ist die Dauer des bisherigen und des voraussichtlich weiteren Aufenthalts des Ausländers im Bundesgebiet von besonderer Bedeutung. Als Auslegungskriterien werden Ausmaß und Intensität der Erkrankung sowie drohende Gesundheitsfolgen bei Ablehnung der Behandlung sowie der Ausschluss von gleichwertigen, kostengünstigeren Behandlungsalternativen genannt. Auch Schweregrad der Erkrankung und Dauer der erforderlichen Behandlung sind von Bedeutung (Frerichs, a. a. O., m. w. N.).
Rz. 14
Eine optimierte und bestmögliche Versorgung kann auch über § 6 Abs. 1 Satz 1 nicht erstrebt werden. Im konkreten Fall hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine zweite stationäre Behandlung einer seltenen familiären Stoffwechselerkrankung mit dem Argument verneint, die bereits eingeleiteten Maßnahmen wie Schmerzmittelmedikation, Krankengymnastik/Physiotherapie, stationäre Akutbehandlungen, einschließlich einer Operation stellten eine Alternative zu der begehrten weiteren stationären Behandlung dar, mit der auch nur der Versuch einer Besserung des Zustandsbildes unternommen werden könne (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 11.1.2007, L 7 AY 6025/06).
Rz. 15
Aus § 6 kann sich bei entsprechender ärztlicher Befundlage auch ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Psychotherapie für ein chronisches Leiden ergeben, dessen Behandlung von § 4 Abs. 1 nicht erfasst wird (OVG Niedersachsen, Beschluss v. 6.7.2004, 12 ME 209/04; krit. gegen einen solchen Anspruch SG Landshut, Urteil v. 24.11.2015, S 11 AY 11/14). Es muss dabei aber fachärztlich attestiert werden, dass gleichwertige, kostengünstigere Behandlungsmaßnahmen nicht zur Verfügung stehen (OVG Niedersachsen, a. a. O.).
Rz. 16
Für eine bereits durchgeführte stationäre Behandlung können nach Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 20.3.2007, L 23 B 27/06 AY PKH) keine Sachleistungen mehr vom Leistungsbezieher beansprucht werden. Es sei allenfalls Sache des Leistungserbringers (hier des Krankenhauses), seine eigenen Ansprüche ggf. aus § 25 SGB XII zu verfolgen. Einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag habe der Träger des Krankenhauses gegen den Ausländer nicht (LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O., unter Hinweis auf OLG Köln, Urteil v. 22.8.1994, 5 U 145/94, zur Behandlung von Asylbewerbern).
Rz. 17
Eine kostenaufwendige besondere Ernährung muss im Einzelfall unerlässlich sein. Ebenso wie beim Anspruch auf Leistungen nach de...