Rz. 4
Die vom Träger der Sozialhilfe zu sichernde Beratung hat nach Abs. 2 Satz 1 die persönliche Situation, den Bedarf sowie die eigenen Kräfte und Mittel des einzelnen Leistungsberechtigten in den Blick zu nehmen, was im Zusammenhang mit dem Individualisierungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1) zu sehen ist. Hier wird der Aspekt der individuellen Hilfegewährung deutlich. Die persönliche Situation umfasst auch das unmittelbare soziale Umfeld und die örtlichen Verhältnisse, in denen der Leistungsberechtigte lebt, aber auch gesundheitliche Aspekte. Sie betrifft die mögliche Stärkung der Selbsthilfe zur aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und zur Überwindung der Notlage, was wiederum im Kontext mit §§ 1, 2 zu sehen ist. Nach Abs. 1 Satz 3 gehört zur Überwindung der Notlage auch, den Leistungsberechtigten für den Erhalt von (weiteren) Sozialleistungen zu befähigen (BSG, Urteil v. 3.7.2020, B 8 SO 2/19 R); dies kann neben der Beratung über mögliche weitergehende Ansprüche auch die Aufnahme von Anträgen für andere Sozialleistungen (z. B. der gesetzlichen Krankenversicherung) umfassen (vgl. Dauber, a. a. O., Stand: 6/2023, § 11 Rz. 16; Streichsbier, a. a. O., § 11 Rz. 3). Ein Verstoß des Sozialhilfeträgers gegen die Beratungsverpflichtung aus Abs. 2 Satz 3 kann bei der Prüfung eines Kostenersatzanspruchs nach § 103 die Kausalität zwischen dem schuldhaften Verhalten und dem Bezug der Sozialhilfe entfallen lassen (BSG, a.a.O; LSG Hessen, Urteil v. 22.2.2023, L 4 SO 169/20 ZVW).
Rz. 5
Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 wird von der zu erreichenden aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft auch ein "gesellschaftliches Engagement" umfasst. Dies dürfte in Fällen unproblematisch sein, in denen der Leistungsberechtigte eine aktive Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft bzw. ein gesellschaftliches Engagement wünscht. Er kann hierzu jedoch nicht gedrängt oder diesbezüglich unter Druck gesetzt werden (vgl. Berlit, a. a. O., § 11 Rz. 8).
Rz. 6
Eine Sonderstellung kommt der in Abs. 2 Satz 4 SGB XII genannten gebotenen "Budgetberatung" zu. Es wird verdeutlicht, dass die Beratungsverpflichtung in § 11 das trägerübergreifende persönliche Budget nach § 29 SGB IX, die budgetfähigen Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 106 Abs. 2 Nr. 7 SGB XI und das persönliche Budget im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach § 63 Abs. 3 Satz 1 umfasst. Nach § 11 Abs. 2 Satz 4 erhalten Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII die gebotene Beratung für den Umgang mit dem durch den Regelsatz zur Verfügung gestellten monatlichen Pauschalbetrag. Durch die überwiegende Einbeziehung einmaliger Leistungen in den Regelsatz ist es geradezu eine herausgehobene Verpflichtung der Sozialhilfeträger, hier den Leistungsberechtigten mit besonderen Beratungsangeboten hilfreich zur Seite zu stehen (BT-Drs. 15/1514 S. 56). Das SGB XII sieht einmalige Beihilfen nur noch in wenigen Fällen vor (§ 31 Abs. 1), im Übrigen müssen die Leistungsberechtigten die anfallenden Ausgaben z. B. für Bekleidung, Ersatzbeschaffung oder Reparatur von Möbeln und Haushaltsgegenständen aus dem Regelbedarf bestreiten und ggf. Ansparungen vornehmen. Bei der Beratung soll der wirtschaftliche Umgang des Leistungsberechtigten mit dem ihm monatlich zur Verfügung gestellten Pauschalbetrag erreicht werden. Gerade für eine qualifizierte Budgetberatung müssen besonders ausgebildete und geschulte Fachkräfte (§ 6) zum Einsatz kommen (Dauber, a. a. O., Stand 6/2023, § 11 Rz. 16). Vor dem Hintergrund der schwierigen Finanzsituation der Sozialhilfeträger bedarf es besonderer Anstrengungen, um den in § 11 genannten Anforderungen gerecht zu werden (vgl. Streichsbier, a. a. O., § 11 Rz. 2).