Rz. 20
Die Vorschrift war zum 1.1.2005 aus systematischen Gründen inhaltsgleich aus § 11 Abs. 3 BSHG übernommen worden, um (damals) alle Regelungen, die den notwendigen Lebensunterhalt betrafen, zusammenzufassen. Die Regelung wurde unverändert bis zum 31.12.2019 beibehalten (vgl. zum Inhalt Rz. 21 bis 27).
Rz. 21
Abs. 3 a. F. eröffnet dem Sozialhilfeträger die Möglichkeit, Sachleistungen an Personen zu erbringen (bzw. diese Leistungen zu finanzieren), die an sich nicht bedürftig sind. Voraussetzung dafür ist, dass diese Personen einzelne Tätigkeiten, die für ihren notwendigen Lebensunterhalt erforderlich sind, nicht selber verrichten können. Zu denken ist dabei insbesondere an Haushaltstätigkeiten, wie Putzen, Waschen und Kochen, aber beispielsweise auch an Körperpflege.
Rz. 22
Sinn der Vorschrift ist es, durch möglichst frühzeitiges Eingreifen der Hilfeleistung mit geringem Aufwand das Entstehen höherer Folgekosten zu verhindern. Es handelt sich nicht um einen gebundenen Anspruch, sondern um eine Ermessensleistung. Da eine Hilfebedürftigkeit im eigentlichen Sinne nicht vorliegt (vgl. Abs. 3 Satz 1), ist sowohl das Entschließungsermessen (d. h. die Entscheidung darüber, ob überhaupt eingegriffen wird) als auch das Auswahlermessen (d. h. die Entscheidung über Art und Umfang des Tätigwerdens) als verhältnismäßig weit anzusehen.
Rz. 23
Der Anwendungsbereich der Regelung ist nicht sehr groß. Denn die Leistung nach Abs. 3 ist nur zu gewähren, wenn der Berechtigte trotz der Hinzurechnung des Wertes der fraglichen Leistung zu seinem Bedarf unter Berücksichtigung seines Einkommens bzw. Vermögens nicht bedürftig würde (vgl. BVerwG, Urteil v. 15.12.1995, 5 C 8/94, Rz. 7 ff.). Es werden also nur Personen erfasst, die finanziell (noch) nicht hilfebedürftig i. S. v. § 19 Abs. 3 i. V. m. §§ 82 bis 84 sind (vgl. die dortigen Komm.). Für hilfebedürftige Personen ist hingegen in Abweichung von der Rechtsprechung des BVerwG nicht an eine abweichende Regelsatzfestlegung i. S. v. § 27a Abs. 4, sondern an einen Anspruch nach den §§ 61 ff. zu denken, um Empfänger von SGB II-Leistungen nicht schlechter zu stellen (vgl. BSG, Urteil v. 11.12.2007, B 8/9b SO 12/06 R, Rz. 15 f.; SG Darmstadt, Beschluss v. 2.1.2018, S 17 SO 103/17 ER, Rz. 34; Coseriu, in: juris-PK SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand: 30.11.2016, § 27 (a. F.) Rz. 43).
Rz. 24
Außerdem steht die Leistung in Konkurrenz zu den Hilfen zur Weiterführung des Haushaltes (vgl. § 70) und zu den Hilfen zur Pflege (vgl. § 61). Vgl. hierzu Richter, Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Bedarfsdeckung nach dem Dritten Pflegestärkungsgesetz, NDV 2019 S. 289. Der Unterschied zu der Leistung nach § 70 besteht darin, dass dort die Führung des Haushaltes insgesamt (bzw. jedenfalls in erheblichem Umfang) ausgeschlossen sein muss. Der Wortlaut des Abs. 3 Satz 1 stellt demgegenüber nur auf die Unmöglichkeit einzelner Verrichtungen (innerhalb des Haushaltes) ab. Die Hilfen zur Weiterführung des Haushaltes greifen daher erst bei einer höhergradigen Einschränkung des Tätigkeitsbereichs des Berechtigten ein. Das Gleiche gilt für die Abgrenzung zu den Hilfen zur Pflege. Auch hier ist zu beachten, dass im Falle einer Pflegebedürftigkeit intensivere Einschränkungen bei einer Mehrzahl von Verrichtungen vorliegen müssen. Ferner erfasst der notwendige Lebensunterhalt nur die "einfache" Körperpflege (vgl. die Komm. zu § 27a Abs. 1) und nicht spezielle krankheitsbedingte Pflegeleistungen.
Rz. 25
Auch die Abgrenzung zu § 27a Abs. 4 (vgl. die dortige Komm.) kann schwierig sein. Die danach mögliche abweichende Festsetzung des Bedarfs kommt in Betracht, wenn die betroffene Person die in Rede stehenden Tätigkeiten noch selber verrichten kann (krit. dazu aber BSG, Urteil v. 11.12.2007, B 8/9b SO 12/06 R, Rz. 16). Sofern sie dazu nicht mehr in der Lage ist, kommt Abs. 3 in Betracht (so auch Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 46. EL VI/2016, § 27 Rz. 40 m. w. N.).
Rz. 26
Auf Personen, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II beziehen, ist § 27 Abs. 3 nicht (analog) anwendbar (vgl. BSG, Urteil v. 26.8.2008, B 8/9b SO 18/07 R, Rz. 12; Urteil v. 11.12.2007, B 8/9b SO 12/06 R, Rz. 14 ff. m. w. N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 16.9.2005, L 20 B 9/05 SO ER, Rz. 17; jeweils zu der Frage der Übernahme von Kosten für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe). In Betracht zu ziehen sind in solchen Fällen aber – auch für Betroffene, die Leistungen nach dem SGB II beziehen – Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 ff. (vgl. dazu BSG, Urteil v. 26.8.2008, B 8/9b SO 18/07 R, Rz. 15; LSG Hessen, Beschluss v. 4.7.2006, L 9 SO 24/06 ER, Rz. 26) und Leistungen der sog. großen Haushaltshilfe nach § 70 (vgl. Rz. 24; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 16.9.2005, L 20 B 9/05 SO ER, Rz. 17).
Rz. 27
Nach Abs. 3 Satz 2 hat der Sozialhilfeträger die Möglichkeit, einen angemessenen Kostenbeitrag von dem Berechtigten zu fordern. Da eine Hilfebedürftigkeit finanzieller Art nicht vorliegt (vgl. Rz....