Rz. 8
Bei dem Begriff des notwendigen Lebensunterhaltes handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, obwohl dieser durch einzelne sog. Bedarfstatbestände (dazu näher unter Rz. 10 f.) noch in Abs. 1 Satz 1 beispielhaft konkretisiert wird. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass es keine allgemeingültige starre Festlegung gibt, was grundsätzlich zur Führung eines menschenwürdigen Lebens notwendig ist. Der Begriff ist interpretationsfähig und für jeden Einzelfall neu ausfüllungsbedürftig. Diese offene Normstruktur hat das BVerfG in dem Urteil v. 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, Rz. 138 ff.) und dem Beschluss v. 23.7.2014 (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, Rz. 125 ff.) nicht beanstandet.
Rz. 9
Bei näherer Betrachtung des Begriffs des notwendigen Lebensunterhaltes ergeben sich jedoch einige Hinweise darauf, in welchem Spannungsfeld der Begriff liegt bzw. nach welchen Kriterien die Auslegung und Anwendung auf den jeweiligen Einzelfall zu erfolgen hat (vgl. Rz. 12 ff.).
Rz. 10
Ausgangspunkt kann dabei im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Satz 1 zunächst sein, dass zum notwendigen Lebensunterhalt letztlich alles zählt, was zur Führung eines menschenwürdigen Daseins individuell (vgl. § 9 Abs. 1) erforderlich ist. Das heißt jedoch nicht, dass zum notwendigen Lebensunterhalt auch die Befriedigung aller Bedürfnisse gehört, die sich ein Großteil der Bevölkerung leistet bzw. leisten kann. Insbesondere die Finanzierung bloßer Annehmlichkeiten ist nicht Aufgabe der Sozialhilfe. Andererseits umfasst der Begriff des notwendigen Lebensunterhalts nicht nur die Gewährleistung des physischen Existenzminimums. Dies ergibt sich schon aus Abs. 1 Satz 2. Dem Leistungsberechtigten ist vielmehr insgesamt ein Leben zu ermöglichen, welches den jeweils herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen nicht hilfebedürftiger Personen in dem Sinne entspricht, dass der Leistungsberechtigte ein Leben führen kann, das sich nicht von dem eines Nichthilfebedürftigen einer niedrigen Einkommensstufe unterscheidet. Hierzu gehört insbesondere die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (BVerfG, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, Rz. 135).
Rz. 11
Daraus ergibt sich, dass der Begriff des notwendigen Lebensunterhaltes einer ständigen Entwicklung und gewissen Wandlungen unterworfen ist, da er von der gesellschaftlichen Wirklichkeit geprägt wird. Entscheidend ist dabei der Lebensstandard der Gesellschaft allgemein. Der Leistungsberechtigte nimmt insoweit sowohl an einer signifikanten Verbesserung, als auch an einer Verschlechterung der allgemeinen Lebensumstände teil.