Rz. 12
Abs. 2 Satz 1 bis 4 bilden die Parallelvorschriften zu § 22 Abs. 4, weichen hiervon aber deutlich ab. Eine Übertragung der Rechtsprechung zu den dort getroffenen Regelungen ist daher nicht ohne Weiteres möglich.
Satz 1 statuiert eine Mitteilungsobliegenheit der leistungsberechtigten Person gegenüber dem Träger der Sozialhilfe, wenn sie beabsichtigt, die Unterkunft zu wechseln. Satz 2 bestimmt, dass für die neue Unterkunft grundsätzlich nur angemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als Bedarf anzuerkennen sind, es sei denn, der Sozialhilfeträger hat den darüber hinausgehenden Aufwendungen zugestimmt. Satz 3 regelt, unter welchen Voraussetzungen eine solche Zustimmung erteilt werden soll. Der zum 1.1.2023 neu eingefügte Satz 4 sieht – abweichend von § 35 in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung – vor, dass innerhalb der Karenzzeit nach § 35 Abs. 1 Satz 2 i. d. F. ab 1.1.2023 (ausnahmsweise) höhere als angemessene Aufwendungen als Bedarf anerkannt werden, wenn der Träger der Sozialhilfe die Anerkennung vorab zugesichert hat.
2.2.1. Mitteilungspflicht bei Wohnungswechsel (Abs. 2 Satz 1)
Rz. 13
Nach Abs. 2 Satz 1 haben leistungsberechtigte Personen vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft den dort zuständigen Träger der Sozialhilfe über die nach § 35 Abs. 3 Satz 1 und 2 maßgeblichen Umstände in Kenntnis zu setzen. Damit bekommt der Träger die Möglichkeit, vorab eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die neuen Kosten der Unterkunft angemessen sind. Auf diese Weise kann vermieden werden, dass der Berechtigte bei einem Wohnungswechsel einer Unterdeckung ausgesetzt wird.
Rz. 14
Mitteilungspflichtig sind nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut "Leistungsberechtigte", also Personen, die bereits vor dem Umzug im Leistungsbezug stehen, nicht hingegen solche, die erst durch den beabsichtigten Umzug leistungspflichtig werden (BSG, Urteil v. 30.8.2010, B 4 AS 10/10 R Rz. 18 zu § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F.).
Rz. 15
Adressat der Mitteilungspflicht ist der für den neuen Wohnort zuständige Träger der Sozialhilfe. Allein dieser kann verlässlich beurteilen, ob die Aufwendungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in seinem Zuständigkeitsgebiet angemessen sind.
Rz. 16
Zu den nach § 35 Abs. 3 Satz 1 und 2 mitteilungspflichtigen Umständen gehören vor allem Größe und Beschaffenheit der neuen Unterkunft sowie die anfallenden laufenden Aufwendungen (Kaltmiete, kalte Betriebskosten, Heizkosten), ferner die Anzahl etwaiger Mitbewohner sowie Umstände, die ggf. einen besonderen Wohnraumbedarf begründen (z. B. Nutzung eines Rollstuhls).
Rz. 17
Eine Verletzung der Mitteilungspflicht führt nicht dazu, dass keine Leistungen für die neue Unterkunft zu gewähren sind. Die Regelung hat keinen Sanktionscharakter; ihr kommt lediglich Aufklärungs- und Warnfunktion zu, damit die leistungsberechtigte Person rechtzeitig vor ihrer Entscheidung darüber informiert wird, ob bzw. ggf. in welchem Umfang Aufwendungen für die neue Unterkunft als Bedarf anerkannt werden. Erst recht schränkt Abs. 2 das in Art. 11 GG verfassungsrechtlich garantierte Recht, seinen Wohnsitz frei zu wählen, nicht ein. Es steht der leistungsberechtigten Person vielmehr – unabhängig von den Gründen – frei, ihre Wohnung zu wechseln (vgl. zu alledem auch Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, 6. Ergänzungslieferung 2023, § 35a Rz. 25 ff. m. w. N.).
Trotz unterbliebener Mitteilung des beabsichtigten Umzugs sind daher zumindest die angemessenen Aufwendungen für die neue Unterkunft zu übernehmen; dies gilt grundsätzlich auch bei einem nicht erforderlichen Wohnungswechsel (so schon BVerwG, Urteil v. 1.10.1998, 5 C 6/98 Rz. 10 ff. zur damaligen Rechtslage). Eine dem § 22 Abs. 1 Satz 6 SGB II entsprechende Regelung, nach der nur der bisherige Bedarf anerkannt wird, wenn sich die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug erhöhen, kennt das SGB XII nicht. Ähnliche Ergebnisse können sich allerdings ggf. aus dem Mehrkostenvorbehalt (§ 9 Abs. 2 Satz 3) ergeben, wenn mehrere Unterkunftsalternativen zur Verfügung stehen (vgl. dazu und zu den Bedenken Löcken, in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 35 Rz. 163).
2.2.2. Übernahme unangemessener Aufwendungen (Abs. 2 Satz 2 bis 4)
Rz. 18
Abs. 2 regelt in den Sätzen 2 bis 4 Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung nur in Höhe angemessener Aufwendungen als Bedarf anzuerkennen sind. Eine solche Ausnahme besteht, wenn der Sozialhilfeträger dem Umzug zuvor zugestimmt hat (Sätze 2 und 3). Zudem werden nach einem Umzug innerhalb der Karenzzeit nach § 35 Abs. 1 Satz 2 höhere als angemessene Aufwendungen als Bedarf anerkannt, wenn der Träger der Sozialhilfe die Anerkennung vorab zugesichert hat (Satz 4).
2.2.2.1. Zustimmung zum Wohnungswechsel (Abs. 2 Satz 2)
Rz. 19
Nach Satz 2 sind die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die neue Unterkunft nur in Höhe angemessener Aufwendungen als Bedarf anzuerkennen, es sei denn, der zuständige Sozialhilfeträger am Ort der neuen Unterkunft hat den darüber hinausgehenden Aufwendungen vorher zugestimmt.
Rz. 20
Bezüglich der Angemessenheit der Aufwendungen wird auf die Kommentierung zu § 35 ...