Rz. 7
Aus § 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (in deren Schutzbereich die Entscheidung über die Art der Bestattung fällt: BVerwGE 45 S. 224; BVerfGE 50 S. 256) folgt sozialhilferechtlich, dass stigmatisierende oder gänzlich anonyme Begräbnisformen ausscheiden (VG Hannover, info also 1998 S. 88). Aus dem gleichen Grund kann der Träger der Sozialhilfe die Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 nicht mit der Begründung ablehnen, dass bei einer Spende des Leichnams an anatomische Institute oder Universitäten keine Kosten entstehen (Eichhorn/Fergen, Praxis der Sozialhilfe, 3. Aufl. 1998 S. 341).
Rz. 8
Gegenständlich bzw. der Art nach kommt ferner nur eine Bestattung in Betracht, bei der das religiöse Bekenntnis des Verstorbenen (soweit bekannt) nicht erkennbar verletzt wird (so dass Friedhöfe mit Zwang zu christlichen Symbolen für bekennende Angehörige der jüdischen Religion oder des Islam bzw. für Atheisten nicht zuzumuten sind und umgekehrt). Religiöse Gebote, denen nach dem sozialhilferechtlich maßgeblichen Ortsrecht der Bundesrepublik zwingende Bestimmungen des Bestattungswesens entgegenstehen (etwa bzgl. des Gebots der offenen Verbrennung nach hinduistischem Ritus oder der mehrmonatigen Aufbahrung nach parsischem Kult), sind wegen des auch für § 74 geltenden ordre-public-Vorbehalts allerdings insoweit unbeachtlich.
Rz. 9
Zum Kostenvergleich sind im Übrigen alle für den Totensorge-Verpflichteten im oben genannten Sinne zumutbaren Begräbnisplätze und Begräbnisarten in Betracht zu ziehen. Dabei ist die Frage nach einer eventuellen Stigmatisierung nach den Anschauungen der Bevölkerungsmehrheit im Geltungsbereich des SGB XII zu beurteilen. Bei dieser hat mittlerweile sowohl die Erd- wie die Feuerbestattung Anerkennung gefunden. Darüber hinaus ist namentlich in den Großstädten eine Entwicklung zu bescheideneren Bestattungsformen einschließlich des Verzichts auf Grabsteine und Blumenschmuck zu verzeichnen. Dieser fortschreitenden Entwicklung ist auch sozialhilferechtlich im Rahmen der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 74 Rechnung zu tragen. Ggf. sind aktuelle Anfragen bei den relevanten Bundesverbänden der Bestatter, den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie bei den kommunalen Spitzenverbänden durchzuführen (problematisch daher die nicht näher substantiierte tatsächliche Annahme zur Üblichkeit von Grabsteinen bei OVG Lüneburg, FEVS 51 S. 382).
Rz. 10
Zur näheren Bestimmung der "erforderlichen Kosten" ist auf das Kriterium der Ortsüblichkeit zurückzugreifen (so BSG, Urteil v. 25.8.2011, B 8 SO 20/10 R). Ortsüblichkeit darf sich insoweit nicht an der Situation aller Verstorbenen orientieren, sondern herangezogen werden können nur die Bezieher unterer bzw mittlerer Einkommen anhand eines regelmäßig objektiven Maßstabs (BSG, a. a. O.), nach dem Wünsche des Verstorbenen grundsätzlich nur berücksichtigt werden können, wenn dadurch keine Mehrkosten entstehen (Strnischa, in: Österreicher, SGB XII, § 74 Rz. 8). Hierfür sind die ortsüblichen Preise zu ermitteln. Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine Abgeltung aufgrund pauschal ermittelter Vergütungssätze demgegenüber nicht möglich (BSG, a. a. O.). Zu berücksichtigen ist indes, dass dem Bestattungspflichtigen im Hinblick auf die ihm üblicherweise zur Verfügung stehende nur kurze Zeit und die besondere (Belastungs-)Situation keine umfassende Prüfungspflicht abverlangt werden kann, welches der vor Ort oder im erweiterten Umkreis ansässigen Bestattungsunternehmen die günstigsten Bedingungen bieten kann. Vielmehr müssen alle Kostenansätze akzeptiert werden, die sich nicht außerhalb der Bandbreite eines wettbewerbsrechtlich orientierten Marktpreises bewegen. Daher ist, selbst wenn einzelne Rechnungsposten des Bestattungsunternehmens überhöht sein sollten, die Gesamtkosten sich jedoch in einem hinnehmbaren Rahmen bewegen, der der Ungewissheit des (potenziellen) Leistungsempfängers über das Ausmaß dessen, was an Bestattungskosten vom Sozialhilfeträger überhaupt übernommen werden kann, Rechnung zu tragen (BSG, a. a. O.).
Die Rechtslage kann sich aber dann ändern, wenn sich – was empfehlenswert ist – der Bestattungspflichtige vor der Eingehung von Verpflichtungen beim zuständigen Sozialhilfeträger darüber beraten lässt, was einer würdigen Bestattung entspricht und welche dafür anfallenden Kosten ggf. als erforderlich anerkannt werden können. Zwar besteht eine Beratungspflicht regelmäßig nicht von Amts wegen, wenn nicht Anlass für eine sog Spontanberatung besteht; jedoch hat der zuständige Sozialhilfeträger den potentiellen Leistungsempfänger dann ausführlich und umfassend zu beraten, wenn dieser um entsprechenden Rat nachsucht. Ist der Sozialhilfeträger seinen Verpflichtungen, die ihm insoweit obliegen, nicht bzw. nicht ausreichend nachgekommen, hat er die tatsächlichen Kosten selbst dann zu übernehmen, wenn und soweit sie zu den objektiv erforderlichen Kosten nicht in einem derart auffälligen Missverhältnis stehen, dass dies dem Bestattungspflic...