Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Übernahme von Bestattungskosten. erforderliche Kosten. angemessene Bestattung. örtliche Verhältnisse. Überführung an einen Bestattungsort im Ausland. Berücksichtigung von Wünschen des Bestattungspflichtigen bzw des Verstorbenen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Norm soll nur eine angemessene Bestattung garantieren und der Steuerzahler soll sozialhilferechtlich nur für eine würdige Bestattung aufkommen müssen. Maßstab kann dann nicht der frühere Lebensstandard des Verstorbenen sein, sondern das, was ortsüblicherweise (§ 9 Abs 1 SGB XII) zu den Bestattungskosten im bezeichneten Sinne gehört.

2. Kosten einer Überführung in das Ausland an den dort vorgesehenen Bestattungsort sind nur dann erforderlich im Sinne von § 74 SGB XII, wenn diese Überführung auch nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich ist. Dies ist zB dann der Fall, wenn die Umstände eine Bestattung nach dem religiösen Bekenntnis des Verstorbenen im Inland nicht ermöglichen.

3. Wünschen des Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs 2 SGB XII) und gegebenenfalls des Verstorbenen (§ 9 Abs 1 SGB XII) ist in einem angemessenen Rahmen nachzukommen. Dem ausgeübten religiösen Bekenntnis und der auch nach dem Tod zu beachtenden Menschenwürde (Art 4 GG) ist Rechnung zu tragen.

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 3. September 2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte den Klägern auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Übernahme weiterer Kosten in Höhe von 2.111,03 EUR für die Bestattung ihres Sohnes in Russland.

Der Kläger zu 1. bezog ab Februar 2016 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Die Klägerin zu 2. erhielt erstmals aufgrund des Bescheides der Beklagten vom 10. August 2017 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 55,90 EUR für Dezember 2016, 74,77 EUR für Januar 2017, 84,45 EUR für Februar 2017 und im Juli 2017 in Höhe von 86,14 EUR. Von März bis Juni 2017 wurden der Klägerin zu 2. keine Leistungen zugesprochen. Im streitigen Zeitraum bezog die Klägerin zu 2. darüber hinaus eine Rente wegen Alters in Höhe von 517,73 EUR. Ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge wies das Girokonto der Klägerin zu 2. am 6. Dezember 2016 ein Guthaben von 3.232,25 EUR auf, am 30. Dezember 2016 ein Guthaben von 1.522,17 EUR. Darüber hinaus sind aus den Kontoauszügen am 6., 7., 9. und 13. Dezember 2016 Geldabhebungen am Geldautomaten Altmarkt A.... von jeweils 500,00 EUR und am 20. Dezember 2016 über 1000,00 EUR ersichtlich. Am 14. Juni 2016 wurde auf das Konto der Klägerin zu 2. ein Betrag von 400 EUR - überwiesen von J.... - mit dem Verwendungszweck "Schuldtilgung" gutgeschrieben. Seit dem 1. August 2017 beziehen die Kläger aufgrund einer gemeinsamen Antragstellung Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII.

Am …. 2016 verstarb der am …. 1981 geborene ledige Sohn der Kläger, Herr E.... (im Folgenden: der Verstorbene) in A...., ohne ein Testament zu hinterlassen. Der Verstorbene lebte mit den Klägern in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft und leistete hierauf einen eigenen Mietkostenanteil von 202,97 EUR monatlich. Über eine Sterbe- oder Lebensversicherung zur Deckung der Kosten einer Bestattung verfügte der Verstorbene nicht.

Am 18. August 2016 beantragten die Kläger unter Vorlage der Sterbeurkunde und der einschlägigen Rechnungen die Übernahme der Bestattungskosten des Verstorbenen beim Beklagten. Die Kläger legten eine an sie adressierte Rechnung der Russischen Föderation, Region K...., über das Begräbnis auf einem Friedhof der Stadt G.... einschließlich der Überführungsleistungen vor. Die Rechnung vom 5. Juni 2016 trägt den Vermerk "bezahlt: Bargeld 34.450 Rubel". Vorgelegt wurde darüber hinaus die Rechnung des Bestattungshauses A.... vom 23. Juni 2016, adressiert an den Kläger zu 1., über die Kosten der Bestattung des Verstorbenen in Höhe von insgesamt 1.917,18 EUR. Die Bestattungskosten beliefen sich ausweislich der vorgelegten Unterlagen auf insgesamt 4.488,53 EUR (davon Kosten der Bestattung in Deutschland 1.917,18 EUR, Transportkosten von Deutschland nach Russland 2.111,03 EUR, für die Bestattung in Russland 460,32 EUR). Die Rechnungen sind sämtlich mit dem Vermerk „Bezahlt“ versehen.

Am 1. September 2016 hörte die Beklagte die Kläger zur beabsichtigten Ablehnung der Übernahme der Bestattungskosten gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) an. Bei Einreichung der Rechnungen sei deren Fälligkeitsdatum längst überschritten gewesen. Im Übrigen seien die Rechnungen bereits bezahlt. Es sei für den Sozialhilfeträger daher nicht erkennbar, dass eine akute N...

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