Rz. 1
Das Dritte Kapitel entspricht vom Regelungsgegenstand her im Wesentlichen dem Abschnitt 2 BSHG (§§ 11 bis 26 BSHG). Es umfasst die §§ 27 bis 40. Nachdem im Zweiten Kapitel die Vorschriften zusammengefasst sind, die die Grundsätze und Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe regeln, enthält das Dritte Kapitel die besonderen Vorschriften für die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (vgl. BT-Drs. 15/1514 S. 54). Wesentlicher Teil der Hilfen zum Lebensunterhalt sind die Regelsatzleistungen.
Rz. 2
In jüngerer Zeit wurde das Regelsatzrecht zum 1.1.2005 durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) erstmals vollständig neu konzipiert, was zu grundlegenden Änderungen gegenüber dem Recht des BSHG führte. Diese Veränderungen waren Ausdruck der Bemühungen des Gesetzgebers, das Sozialhilferecht, einer lange geäußerten Forderung entsprechend, weiterzuentwickeln. Ziel war es insbesondere, durch Regelungen zur Bemessung und Fortschreibung der Regelsätze die finanziellen Leistungen transparent und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln sowie durch stärkere Pauschalierung und Einbeziehung in den Regelsatz die Selbstverantwortung der Hilfeempfänger (jetzt: Leistungsberechtigten) zu stärken und die Verwaltungsvorgänge zu vereinfachen (BT-Drs., a. a. O., S. 50).
Rz. 3
In der Folgezeit waren insbesondere die Vorschriften zur Regelsatzbemessung, die (auch) das Referenzsystem für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bildeten und weiterhin bilden, einer breiten Diskussion in Rechtsprechung und Literatur ausgesetzt. Diese gipfelte in der Grundsatzentscheidung des BVerfG v. 9.2.2010 (1 BvL 1/09 u. a.). In dieser Entscheidung hat das BVerfG massive Kritik an der bisherigen Konzeption der Bedarfsbemessung im Bereich existenzsichernder Leistungen geäußert und dadurch den Gesetzgeber zwar nicht zu einem vollständigen Systemwechsel, aber zu tiefgreifenden Reformen der Bedarfsbemessung veranlasst.
Rz. 4
Diese Reformen wurden durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 24.3.2011 (BGBl. I S. 453) mit Wirkung zum 1.1.2011 umgesetzt. Wesentliche Punkte dieser Reform sind die Verankerung des Leistungsanspruches der Höhe nach in den gesetzlichen Vorschriften des RBEG sowie eine deutlich konkretere Ausgestaltung der Bedarfsermittlung als bisher. Dies ging mit einer nochmaligen Neustrukturierung der Regelungen des Dritten Kapitels einher, wobei viele Regelungsbereiche unverändert blieben, aber auch neue hinzukamen (vgl. z. B. Neustrukturierung der jetzt im Ersten Abschnitt zusammengefassten Regelungen und Einfügung der Regelungen des Dritten Abschnitts – Bildung und Teilhabe).
Rz. 5
Es bleibt zu hoffen, dass die zum 1.1.2005 neu geordneten Regelungen für existenzsichernde Leistungen damit nun endgültig auf einigermaßen sicheren Füßen stehen und zukünftig nur noch an Einzelpunkten nachgesteuert werden muss.
Rz. 6
Die Anzahl der Personen, die Leistungen nach dem Dritten Kapitel erhält, ist weiterhin verhältnismäßig gering. So erhielten zum Jahresende 2010 nur etwa 98.000 Personen Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel außerhalb von Einrichtungen. Demgegenüber erhielten zum selben Zeitpunkt rund 797.000 Personen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel und 6,47 Mio. Menschen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Alg-II und Sozialgeld) – alle Angaben aus: Soziale Mindestsicherung in Deutschland 2010, Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hrsg.), Nov. 2012. Die Leistungen des Dritten Kapitels sind danach zwar ökonomisch kaum von Bedeutung, ihre rechtliche Berechtigung und Bedeutung erlangen und behalten die Vorschriften jedoch aufgrund ihrer systematischen Funktion als Referenzsystem für alle anderen existenzsichernden Sozialleistungen.