0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Durch Art. 7 Nr. 12 des Sozialgesetzbuchs – Neuntes Buch – (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046) ist § 39 mit Wirkung zum 1.7.2001 zwar neugefasst, aber inhaltlich im Wesentlichen nicht geändert worden (vgl. BT-Drs. 14/5074 S. 121). Durch Art. 8 Nr. 6 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wurden die Verweise auf das SGB IX der geänderten Zählung angepasst. Durch Art. 7 Nr. 7 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 12.6.2020 (BGBl. I S. 1248) wurde die geregelte Leistung in soziale Teilhabe umbenannt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Bundesregierung hat bei der Einordnung des Rechts der Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch nach den Vorschriften zur Heilbehandlung und denen über die berufsfördernden Leistungen die Leistungen zur sozialen Rehabilitation (z. B. sozialpädagogische und psychosoziale Betreuung, Wohnungshilfe, Kraftfahrzeughilfe, Rehabilitationssport) als 3. Säule der Rehabilitation aufgeführt. Die soziale Rehabilitation steht gleichwertig neben der medizinischen und beruflichen Rehabilitation, um das umfassende Rehabilitationsziel der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) zu erreichen. Sie wird unabhängig von der Durchführung medizinischer und berufsfördernder Leistungen erbracht (BR-Drs. 263/95). Die Maßnahmen der sozialen Rehabilitation sollen diese umfassend ergänzen und absichern, damit sich der Versicherte im Alltag – im Wettbewerb mit nicht behinderten Menschen – behaupten kann.
2 Rechtspraxis
2.1 Verweis auf Vorschriften des SGB IX
2.1.1 Beiträge und Beitragszuschüsse (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX)
Rz. 3
Die Notwendigkeit des wirtschaftlichen Ausgleichs für den Entgeltausfall während der Ausführung einer Leistung erstreckt sich auch auf die Fortführung des Versicherungsschutzes. Rechtsgrundlage dieses Versicherungsschutzes und der Verpflichtung des Leistungsträgers zur Mittelaufbringung sind für die einzelnen Sozialversicherungszweige die jeweils gesondert geltenden Vorschriften. § 64 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX ist insoweit rein deklaratorisch. Nach Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis e werden alle Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung übernommen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Buchst. a bis e ("nach Maßgabe").
Rz. 4
Auf die Geldleistungen nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis e besteht ein Rechtsanspruch des Rehabilitanden. Ein derartiger Anspruch besteht aber immer nur während der Durchführung von Leistungen zur Teilhabe. Nach § 64 Abs. 2 können unter den dort genannten Voraussetzungen auch freiwillige Beiträge übernommen werden. Darüber entscheidet der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen.
2.1.2 Rehabilitationssport und Funktionstraining (§ 64 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX)
Rz. 5
Rehabilitationssport und Funktionstraining in Gruppen werden als Sachleistungen gewährt. Zusätzliche Leistungsvoraussetzung ist jeweils, dass die Sachleistung ärztlich verordnet wird, in Gruppen und unter ärztlicher Betreuung und Überwachung durchgeführt wird.
Rz. 6
Die Durchführung dieser beiden Leistungsarten im Einzelnen ist in der Rahmenvereinbarung Rehabilitationssport und Funktionstraining vom 26.11.2011 der Rehabilitationsträger geregelt (abrufbar im Internet unter www.bar-frankfurt.de/fileadmin/dateiliste/_publikationen/reha_vereinbarungen/pdfs/RVRehasport.web.pdf).
Rz. 7
Nach Nr. 2.3 der Rahmenvereinbarung wirkt Rehabilitationssport mit den Mitteln des Sports und sportlich ausgerichteter Spiele ganzheitlich auf die behinderten Menschen ein, um insbesondere Ausdauer, Koordination, Flexibilität und Kraft zu stärken. Als Rehabilitationssportarten sind in Nr. 5.1 der Rahmenvereinbarung Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen und Bewegungsspiele in Gruppen beispielhaft angeführt. Leistungsumfang und Leistungsausschlüsse sind nach Maßgabe von Nr. 4 der Rahmenvereinbarung den einzelnen Sozialversicherungsbereichen angepasst.
Rz. 8
Das Funktionstraining ist in Nr. 3.3 der Rahmenvereinbarung beschrieben als besonders mit den Mitteln der Krankengymnastik und der Ergotherapie gezielt auf spezielle körperliche Strukturen behinderter Menschen wirkendes Mittel. Als Funktionstrainingsarten werden nach Nr. 6 der Rahmenvereinbarung beispielhaft (insbesondere) Trocken- und Wassergymnastik angeführt .
2.1.3 Reisekosten (§ 64 Abs. 1 Nr. 5, § 73 SGB IX)
Rz. 9
Trotz des Verweises auf diese Norm findet sich im SGB VII mit § 43 eine speziellere Regelung zu den Reisekosten, die im Übrigen, wie auch § 64 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX, auf § 73 SGB IX Bezug nimmt.
2.1.4 Haushalts- oder Betriebshilfe und Kinderbetreuungskosten (§ 64 Abs. 1 Nr. 6, § 74 SGB IX)
Rz. 10
Betriebs- oder Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten bestimmen sich nach näherer Maßgabe des § 74 SGB IX. Ergänzend bestimmt § 42, dass die Leistungen nach § 74 Abs. 1 bis 3 SGB IX auch bei Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erbracht werden.
2.1.4.1 Betriebs- oder Haushaltshilfe
Rz. 11
Betriebshilfe kommt im Gegensatz zur Haushaltshilfe (nur) bei selbständig Tätigen in Betracht. Landwirtschaftliche Unternehmer erhalten gemäß § 54 Abs. 1 Betriebshilfe während einer stationären Behandlung, wenn ihnen wegen dieser Behandlung die Weiterführung des Unternehmens nicht möglich ist und in dem Unternehmen Arbeitnehmer und mitarbeitende Familienangehörige ...