0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 16 schafft erstmals eine umfassende Grundlage für Angebote zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie. Die Vorschriften für Angebote der Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen (§ 16 Abs. 2 Nr. 2) sowie Angebote der Familienfreizeit und der Familienerholung, insbesondere in belastenden Familiensituationen, die bei Bedarf die erzieherische Betreuung der Kinder einschließen (§ 16 Abs. 2 Nr. 3), fanden ihre Grundlage in den früheren § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 JWG.
§ 16 Abs. 1 Satz 3 wurde durch Art. 3 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts v. 2.11.2000 (BGBl. I S. 1479) eingeführt und § 1631 Abs. 2 BGB angepasst, der ebenfalls durch das o. g. Gesetz neu gefasst wurde (§ 1631 Abs. 2 BGB lautet: "Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig".) Im Rahmen der allgemeinen Erziehungsförderung soll der Erziehungsberechtigte bei einer gewaltfreien Erziehung unterstützt werden.
Durch das Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz – KiföG) v. 10.12.2008 (BGBl. I S. 2403) wurde Abs. 4 (später Abs. 5) eingeführt, der die monatliche Zahlung von Betreuungsgeld vorsah. Durch Art 2 Nr. 7a des Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG) v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 2975) wurde der jetzige Abs. 3 mit Wirkung v. 1.1.2012 eingeführt.
Damit wurde die besondere Bedeutung der sog. frühen Hilfen betont. Die bisherigen Abs. 3 und 4 wurden Abs. 4 und 5. Art. 2 des Gesetzes zur Einführung eines Betreuungsgeldes v. 15.2.2013 (BGBl. I S. 254) hob Abs. 5 mit Wirkung zum 1.8.2013 wieder auf.
Durch Art. 1 Nr. 18 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurde mit Wirkung zum 10.6.2021 Abs. 1 Satz 2 neu gefasst, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 geändert und Satz 2 angefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
§ 16 steht zu Beginn des Zweiten Abschnitts der "Förderung der Erziehung in der Familie", der den Verfassungsauftrag aus Art. 6 GG zum Schutz von Ehe und Familie mit umsetzt. Zu der Aufgabe, die Familie zu stärken, gehört auch die Förderung der Erziehungskompetenz.
Die Vorschrift gibt den Rahmen für ein Leistungsangebot mit dem Ziel vor, die Erziehungskompetenz der Erziehungsberechtigten zu verbessern. Präzisierungen der Angebote werden in den folgenden Regelungen des Abschnitts vorgenommen. Dabei haben die Angebote einen rein präventiven Charakter, setzen also nicht konkrete Erziehungsprobleme in der Familie voraus.
Durch den Landesvorbehalt in Abs. 3 bleibt den Ländern die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen vorbehalten. Einige Länder haben ihre Gesetzgebungskompetenz durch den Erlass entsprechender Vorschriften wahrgenommen, vgl. §§ 20 bis 24 AG KJHG Berlin, §§ 28 bis 30 BremKGFöd, § 17 AGHJHK Rheinland-Pfalz, §§ 29 bis 31 JuFöG Schleswig-Holstein.
Die in § 16 vorgesehenen Erziehungsmaßnahmen sind den sozialhilferechtlichen Beratungsangeboten in Teilen ähnlich, vgl. § 14 SGB I, § 11 SGB XII.
Es handelt sich bei ihnen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 um Aufgaben der Jugendhilfe.
2 Rechtspraxis
2.1 Adressaten (Abs. 1 Satz 1)
Rz. 3
Artikel 6 GG garantiert den Schutz von Ehe und Familie. Der grundgesetzliche Familienbegriff knüpft an das bürgerlich-rechtliche Institut der Familie an (BVerfG, Beschluss v. 17.1.1957, 1 BvL 4/54). Danach ist die Familie die umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern (Urteil v. 29.7.1959, 1 BvR 205/58), gleichgültig, ob ehelich oder nichtehelich (BVerfG, Beschluss v. 8.6.1977, 1 BvR 265/75), Adoptiv-, Stief- oder Pflegekinder (Beschluss v. 17.10.1984, 1 BvR 284/84).
Die Familie ist die kleinste "Zelle" des Staates: Sie hat viele wichtige Funktionen zu erfüllen, nicht nur für die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, sondern darüber hinaus für den Bestand und die Stabilität der Gesellschaft und des von ihr getragenen Staates. Eine wichtige Funktion ist die Geburt von Kindern und deren Sozialisation, indem die Eltern ihren Nachwuchs so erziehen, dass sie ihn gesellschaftsfähig machen. Durch die Familie findet der einzelne einen Platz in der Gesellschaft, erhält hier ggf. eine Religionszugehörigkeit und wird auf einen Beruf vorbereitet. Aufgabe der Familie ist es zudem, die körperlichen und psychischen Bedürfnisse ihrer Mitglieder nach Anerkennung und Zuwendung zu befriedigen und einen Spannungsausgleich zu dem sonstigen Umfeld zu schaffen, indem sie einen wichtigen Katalysator für Probleme aus Schule, Beruf und übrigem öffentlichen Bereich bildet.
Auf den Familien lastet in der heutigen Zeit ein erheblicher Erwartungsdruck, dem viele nicht gewachsen sind. Familienprobleme und damit Schwierigkeiten bei der familiären Erziehung können sich aus einer Reihe von Gründen ergeben, wie dem familiären, häufig stark emotional belasteten Zusammenleben selbst, der wirtschaftlich ...