Rz. 60
Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist und dadurch der Hilfezweck nicht infrage gestellt wird, sollen Eltern, die nicht personensorgeberechtigt sind, an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung beteiligt werden. Eine solche Regelung ist neu und war bisher (bis zum 9.6.2021) nicht explizit im Gesetz geregelt.
Rz. 61
Sinn der Regelung ist die Stärkung der verfassungsrechtlich garantierten Elternrechte gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (BR-Drs. 5/21 S. 82 = BT-Drs. 19/26107 S. 85).
Rz. 62
Voraussetzung für die Beteiligung ist das Kriterium der Erforderlichkeit; auch darf der Hilfezweck durch ihre Beteiligung nicht infrage gestellt werde (vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 13.5.2020, SN_2020_0411 Eh, JAmt 2021, 396). Die Mitwirkung der nicht personensorgeberechtigten Eltern muss zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der konkreten inhaltlichen und zeitlichen Ausgestaltung der Hilfe im Einzelnen erforderlich sein. Dies ist i. d. R. der Fall, wenn es etwa um die Umsetzung der Zusammenarbeit mit der Pflegeperson bzw. der in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Person (§ 37 Abs. 2) oder die notwendigen Schritte zur Veränderung der Erziehungsbedingungen bei Bestehen einer Rückkehroption (§ 37c Abs. 2) geht (vgl. Beispiele in BR-Drs. 5/21 S. 82 = BT-Drs. 19/26107 S. 85). Dabei sind die Anforderungen an den Begriff der Erforderlichkeit nicht zu überspannen. Die Erforderlichkeit ist bereits dann zu bejahen, wenn die Beteiligung der nicht sorgeberechtigten Eltern für die Verbesserung der Lebenssituation des Kindes oder des Jugendlichen durch eine erzieherische Hilfe von maßgeblicher Bedeutung ist. Dabei kommt der Beteiligung bereits dann maßgebliche Bedeutung zu, wenn die Verbesserung der Lebenssituation durch die Beteiligung möglich erscheint.
Rz. 63
Das Gesetz macht im Interesse des Kindeswohls eine Rückausnahme zur Beteiligungspflicht bzw. dem Beteiligungsrecht der nicht sorgeberechtigten Eltern; danach kann die Pflicht zur Beteiligung nur dann bestehen, wenn dadurch der Zweck des Hilfeprozesses nicht infrage gestellt wird. Werden durch die Einbeziehung nicht personensorgeberechtigter Eltern in die Hilfeplanung erhebliche Risiken für den Hilfeprozess erkennbar und wird die damit stets intendierte Gewährleistung einer dem Kindeswohl entsprechenden Erziehung offenbar erschwert, ist auf die Beteiligung der nicht sorgeberechtigten Eltern zu verzichten. Dies erfordert eine Prognoseentscheidung durch den Jugendhilfeträger, die er in Abwägung des verfassungsrechtlich garantierten Elterninteresses und dem Kindeswohl zu treffen hat.
Rz. 64
Die in § 36 Abs. 5 vorgesehene Beteiligung nicht sorgeberechtigter Eltern im Hilfeplanverfahren erfolgt nicht in deren subjektivem Interesse, sondern im Interesse des Kindes zum Zweck der Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer; nicht sorgeberechtigte Eltern sind gegenüber der Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. daher nicht klagebefugt (VG Karlsruhe, Urteil v. 8.3.2022, 8 K 1260/21; mit Anm. in JAmt 2022, 414). Eine nicht (mehr) zur Sorge berechtigte Mutter hat daher auch keinen Anspruch auf Akteneinsicht nach § 25 Abs. 1 SGB X, da sie nicht Personensorgeberechtigte i. S. d. § 27 Abs. 1 und daher nach § 36 Abs. 2 keine Muss-Beteiligte des Hilfeplanverfahrens ist (DIJuF-Rechtsgutachten v. 24.6.2020, SN_2019_0246 Eh, JAmt 2020, 442).