0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist nach Art. 70 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zum 1.1.2005 in Kraft getreten. Die Vorschrift ersetzt inhaltsgleich § 103 BSHG.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt die Kostenerstattung zwischen den Sozialhilfeträgern bei Aufenthalt des Leistungsberechtigten in einer stationären Einrichtung. Die Regelung ist Folge der Regelung über die Zuständigkeit für die Hilfe in einer solchen Einrichtung nach § 98 Abs. 2. Danach richtet sich die Zuständigkeit grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten vor der Unterbringung in der Einrichtung und nicht nach dem tatsächlichen Aufenthaltsort im Sinne von § 98 Abs. 1. Kann der gewöhnliche Aufenthalt nicht sofort oder gar nicht ermittelt werden, so sieht § 98 Abs. 2 Satz 3 eine vorläufige Eintrittspflicht des Sozialhilfeträgers am Einrichtungsort vor, um dem Leistungsberechtigten nicht zuzumuten, auf das Ermittlungsergebnis warten zu müssen. Durch diese Anknüpfung an den tatsächlichen Aufenthaltsort in Eilfällen wird zum Ausgleich der finanziellen Belastung der Einrichtungsorte eine Kostenerstattung zwischen vorläufig eintretendem Sozialhilfeträger und endgültig zuständigem erforderlich, die sich dann nach Abs. 1 Satz 1 richtet. Lässt sich ein gewöhnlicher Aufenthaltsort und damit ein endgültig zuständiger örtlicher Sozialhilfeträger nicht ermitteln, so ist der überörtliche Sozialhilfeträger nach Abs. 1 Satz 2 in der Erstattungspflicht.
Abs. 2 fingiert den Aufenthalt in der Einrichtung, wenn der Leistungsberechtigte sich auch zum Teil außerhalb von dieser aufhält.
Ferner sieht Abs. 3 Folgeregelungen für den Fall vor, dass der Leistungsberechtigte die Einrichtung verlässt.
Bei den Erstattungsansprüchen der §§ 106 ff. handelt es sich um besondere Lastenausgleichsregelungen. Ihr Sinn und Zweck besteht in einer gleichmäßigen Lastenverteilung unter den Trägern der Sozialhilfe, um eine als unbillig empfundene Kostenverteilung zu vermeiden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 7.2.2019, L 15 SO 198/18, Rz. 31 m. w. N.). Im Verhältnis zu anderen Erstattungsansprüchen gehen die §§ 106 ff. den Erstattungsansprüchen nach den §§ 102 ff. SGB X gemäß § 37 Satz 1 SGB I als speziellere Regelung vor (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O.; BayLSG, Urteil v. 20.12.2016, L 8 SO 119/15, Rz. 7; offen gelassen von LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.1.2015, L 9 SO 242/12, Rz. 70). Steht die Erstattung von Rehabilitationsleistungen im Raum, sind die Erstattungsansprüche nach § 16 SGB IX allerdings gegenüber den §§ 106 ff. SGB X vorrangig (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 23.2.2012, L 1 SO 135/10, Rz. 49, m. w. N.). Ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Erstattungsansprüchen besteht nicht (vgl. W. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, 19. Aufl. (2015), SGB XII, § 106 Rz. 6). Im Verhältnis zum Leistungsberechtigten entfalten die §§ 106 ff. SGB XII keine Wirkungen; insbesondere findet die in § 107 SGB X geregelte Erfüllungsfiktion keine Anwendung (BSG, Urteil v. 22.3.2012, B 8 SO 2/11 R, Rz. 12, zu § 108 BSHG a. F.).
Die Regelungen der §§ 106 und 109 gelten über die Vorschrift des § 98 Abs. 4 entsprechend für Hilfen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben.
2 Rechtspraxis
2.1 Kostenerstattung nach Abs. 1 Satz 1
Rz. 3
Nach Abs. 1 Satz 1 sind die Kosten, die ein eintrittspflichtiger Träger der Sozialhilfe für den Aufenthalt eines Hilfeempfängers in einer Einrichtung aufgewendet hat, von dem sachlich zuständigen Träger zu erstatten, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in der Einrichtung hat oder in den 2 Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat. Die Kostenerstattung setzt damit zunächst voraus, dass dem Leistungsberechtigten der Aufenthalt in einer Einrichtung i. S. d. § 13 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 bewilligt wurde, wobei nur ein vollstationärer Aufenthalt gemeint ist. Eine Einrichtung in diesem Sinne ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dient (BSG, Urteil v. 13.2.2014, B 8 SO 11/12 R, Rz. 19). Nicht erforderlich ist, dass es sich um eine auf Dauer angelegte Kombination von sächlichen und personellen Mitteln handeln muss; eine gewisse Dauer ist ausreichend, weshalb auch ein Unfallkrankenhaus dem Einrichtungsbegriff unterfällt (SG Hamburg, Urteil v. 31.7.2018, S 28 SO 121/15, Rz. 17). Auch eine dezentrale Unterkunft kann zur Einrichtung gehören, wenn die Unterkunft der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers so zugeordnet ist, dass sie als Teil des Einrichtungsganzen anzusehen ist; nach dem BSG ist die Vorhaltung von Wohnraum durch den Träger der Einrichtung selbst wesen...