0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Art. 1, Art. 70 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) mit Wirkung zum 1.1.2005 in Kraft getreten. Sie ist seit dem unverändert geblieben.
In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1514 S. 57) wurde ausgeführt:
Zitat
Die Regelung überträgt inhaltsgleich den bisherigen § 7 des Bundessozialhilfegesetzes.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift trägt dem in Art. 6 GG verankerten besonderen Schutz der Familie Rechnung. Ziel der Sozialhilfe soll sein, der Familie, die unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und damit der staatlichen Ordnung steht (Art. 6 GG), eine besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen (Hohm, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII Kommentar, 18. Aufl., § 16 Rz. 1; Fichtner, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII – Sozialhilfe mit AsylbLG, 4. Aufl. 2009, § 16 Rz. 1; Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII – Sozialhilfe, Kommentar, 4. Aufl. 2012, § 16 Rz. 1). Insoweit ist die Hilfe für Personen, die in einer Familie leben, zweckentsprechend zu gestalten, was nur gelingt, wenn die Familienzugehörigkeit dabei besonders in den Blick genommen wird. Hilfemaßnahmen für ein einzelnes Familienmitglied müssen immer auch im Gesamtzusammenhang mit der Familie und bestehenden familiären Banden gesehen werden (Dauber, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II, Sozialgesetzbuch XII, Bd. 1, 2007, § 16 Rz. 2). Adressat der Leistung bleibt dabei – da die Sozialhilfe stets eine individuelle Hilfe ist – selbstverständlich das jeweilige Familienmitglied (Bieback, a. a. O. § 16 Rz. 1).
Rz. 3
Die Regelung des § 16 aus dem Ersten Abschnitt "Grundsätze der Leistungen" des zweiten Kapitels und das darin fixierte allgemeine Gebot der familiengerechten Leistungen ist durchgängig im gesamten SGB XII zu beachten. Dies wird auch daran deutlich, dass auf familiäre Beziehungen in verschiedenen Vorschriften abgestellt wird: § 19 Abs. 4, § 26 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2 und 3, § 39 Satz 3, § 49 Satz 1, § 50, § 68 Abs. 2 Satz 2, § 85 Abs. 1 Nr. 3, § 85 Abs. 2, § 90 Abs. 2 Nr. 6, § 90 Abs. 3 Satz 1, § 92 Abs. 2, § 92a, § 102 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2. § 16 stellt insoweit auch eine Ergänzung zu § 9 Abs. 1 und dem dort geregelten Individualisierungsgrundsatz dar (vgl. Bieback, a. a. O., § 16 Rz. 2; vgl. auch Armborst, in: Sozialgesetzbuch XII – Sozialhilfe, Lehr- und Praxiskommentar, 9. Aufl. 2012, § 16 Rz. 1).
Insoweit ist die Regelung ein "Programmsatz", aus der sich keine Rechte der Familienangehörigen ableiten (vgl. BSG, Urteil v. 24.3.2009, B 8 SO 29/07 R), die jedoch z. B. bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und der Anwendung von Ermessensvorschriften stets mit beachtet werden muss (vgl. Bieback, a. a. O., § 16 Rz. 5 ff.; Voelzke in: juris-PraxisKommentar SGB XII, § 16 Rz. 8). Der Grundsatz der familiengerechten Hilfe gilt dabei nicht nur für das Leistungsrecht, sondern vor allem auch für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger (Hohm, a. a. O., § 16 Rz. 6).
2 Rechtspraxis
Rz. 4
Was den Familienbegriff betrifft, der von § 16 vorausgesetzt wird und bei der Auslegung der Vorschrift zugrunde zu legen ist, so muss dieser weit gefasst sein (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 1.3.2006, L 23 B 1083/05 SO ER; Armborst, a. a. O., § 16 Rz. 2; Voelzke, a. a. O., § 16 Rz. 14). Auch wenn das Gesetz den Begriff der Familie selbst nicht definiert, so wird man darunter das Leben in einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft fassen müssen, in der die jeweils leistungsberechtigte Person lebt und deren Entwicklung bzw. Schicksal das eigene Leben maßgeblich mitbestimmt (Dauber, a. a. O., 2007, § 16 Rz. 4). Es gehören dazu Familien im "herkömmlichen" Bild (intakte Familienverhältnisse), Stiefkinderfamilien oder sog. Patchwork-Familien (mit Kindern von jedem Partner und gemeinsamen Kindern), eheähnliche Verhältnisse mit Kindern, Lebenspartnerschaften, aber auch Alleinerziehende (vgl. Bieback, a. a. O., § 16 Rz. 9; Dauber, a. a. O., § 16 Rz. 4; Armborst, a. a. O., § 16 Rz. 2). Auch andere, durch abstammungs- und blutmäßige Bande miteinander verbundene Angehörige wie Großeltern können zur Familie in diesem Sinne gehören (vgl. Hohm, a. a. O. § 16 Rz. 4).
Auch zur Familie können solche Personen gerechnet werden, die zwar nicht unmittelbar in einem Haushalt wohnen, aber miteinander verwandt sind und sich untereinander verbunden fühlen, selbst wenn dies über eine größere Distanz der Fall sein sollte (vgl. Bieback, a. a. O., § 16 Rz. 10, 24).
Nicht vom Familienbegriff dieser Norm umfasst werden demgegenüber reine Haus- und Wohngemeinschaften, auch wenn sich diese teilweise selbst als "Großfamilie" bezeichnen sollten (vgl. Bieback, a. a. O., § 16 Rz. 12).
Zu beachten ist, dass in einzelnen Vorschriften des SGB XII abweichende familienbezogene Begriffe verwendet werden
Rz. 5
Maßgeblich sind die besonderen Verhältnisse in der Familie. Gerade in den Fällen, in denen speziell Eltern aufgrund ihrer persönlichen Lebenssituation auf die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem S...