Rz. 61

Absatz 5 Satz 2 dient dazu, die hohen und lange andauernden Sozialhilfelasten auf die Bundesländer angemessen zu verteilen und aus diesem Grund ihre Verlagerung in andere Bundesländer durch Binnenwanderung zu verhindern (vgl. Groth, in: Beck-OK Sozialrecht, § 23 Rz. 23; Wahrendorf, a. a. O., § 23 Rz. 53). Außerdem soll die missbräuchliche (mehrfache) Inanspruchnahme von Sozialhilfe verhindert werden (vgl. BVerfG, Beschluss v. 16.6.1997, 1 BvR 365/97; Beschluss v. 17.9.1997, 1 BvR 1401/97, FamRZ 1997 S. 1469; Schlette, a. a. O., § 23 Rz. 55).

 

Rz. 62

Bei der Anwendung des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG als Vorgängervorschrift von Abs. 5 Satz 2 war streitig, auf welches Bundesland es ankommt. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, maßgebend sei das Bundesland, in dem der jeweils letzte Aufenthaltstitel erteilt worden sei (OVG Lüneburg, Beschluss v. 26.11.1998, 4 L 4363/98, FEVS 49 S. 421; HessVGH, Beschluss v. 17.12.1998, 1 TG 3529/98, FEVS 51 S. 222; OVG Brandenburg, Beschluss v. 7.2.2000, 4 B 128/99, FEVS 52 S. 29). Mit der h. M. war dagegen auf das Bundesland abzustellen, in dem der Aufenthaltstitel erstmals erteilt worden ist (so auch Wahrendorf, a. a. O., § 23 Rz. 57; Schlette, a. a. O., § 23 Rz. 59). Nur diese Auslegung, die im Übrigen durch die Einfügung des Wortes "erstmals" in § 23 Abs. 5 Satz 2 zum 1.1.2005 nunmehr gestützt wird, ist mit den genannten Zwecken der Vorschrift (Rz. 60) vereinbar (BVerwG, Urteil v. 13.11.2003, 5 C 54/02, FEVS 55 S. 305; OVG Hamburg, Beschluss v. 25.4.1996, Bs IV 152/96, FEVS 47 S. 21; BayVGH, Beschluss v. 8.7.1997, 12 CE 97.1467, FEVS 48 S. 112; OVG Berlin, Beschluss v. 27.8.1997, 6 S 129.97, FEVS 48 S. 40; Beschluss v. 28.1.1998, 6 S 162.97, FEVS 48 S. 454; Beschluss v. 26.3.1999, 6 SN 53.99 u. a., FEVS 51 S. 77; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 26.9.2002, 16 A 2722/00, ZfSH/SGB 2003 S. 93). In der Konsequenz dieser Auffassung liegt es, dass der Sozialhilfeträger, der gleichwohl Hilfe gewährt hat, diese nicht von dem Sozialhilfeträger des Wegzugsortes erstattet verlangen kann (BVerwG, Urteil v. 13.11.2003, a. a. O.).

 

Rz. 63

Hinsichtlich des Innenausgleichs zwischen den Sozialhilfeträgern ist die Spezialregelung in § 23a Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu beachten (gemäß Art. 15 Abs. 4 Zuwanderungsgesetz v. 30.7.2004, BGBl. I S. 1950, sollte § 23a zum 31.12.2009 außer Kraft treten, durch die Aufhebung von Art. 15 Abs. 4 Zuwanderungsgesetz v. 30.7.2004 durch Art. 2 des Gesetzes v. 20.12.2008, BGBl. I S. 2846, blieb die Vorschrift über den 31.12.2009 hinaus in Kraft). Diese Vorschrift ist durch den Vermittlungsausschuss in das Zuwanderungsgesetz aufgenommen worden (vgl. BT-Drs. 15/3479 S. 4) und hat folgenden Wortlaut:

Verzieht ein sozialhilfebedürftiger Ausländer, dem eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 erteilt wurde, in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers, ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Zuständigkeitsbereich eine Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis erteilt hat, längstens für die Dauer von drei Jahren ab Erteilung der Aufenthaltserlaubnis dem nunmehr zuständigen Träger der Sozialhilfe zur Kostenerstattung verpflichtet.

§ 23a AufenthG betrifft dabei die Aufenthaltsgewährung aufgrund eines Härtefallersuchens.

 

Rz. 64

Welche Hilfe unabweisbar geboten ist, beurteilt sich nach den Notwendigkeiten des Einzelfalles, wobei von einem engen Anwendungsbereich auszugehen ist. Es kann sich z. B. um die Kosten der Rückreise in das Gebiet handeln, für das der Aufenthaltstitel besteht (Schlette, a. a. O., § 23 Rz. 57 m. w. N.; Adolph, a. a. O., § 23 Rz. 117). Zu der "nach den Umständen unabweisbar gebotenen Hilfe" i. S. v. Abs. 5 Satz 1 kann es auch gehören, dem Hilfesuchenden eine angemessene Frist einzuräumen, damit er sich in dem ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich eine angemessene Unterkunft suchen kann (OVG Lüneburg, Beschluss v. 9.1.1996, 4 M 6156/95, FEVS 47 S. 18). Ebenso kommt z. B. die Gewährung von Hilfe in Bezug auf die Unterkunft als Sachleistung durch Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft in Betracht, ohne dass stattdessen ein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer selbst angemieteten Unterkunft als Geldleistung besteht (OVG Hamburg, Urteil v. 6.4.1990, Bf IV 101/89, ZfSH/SGB 1990 S. 587).

 

Rz. 65

Auch dann, wenn ursprünglich in Verkennung der Rechtslage mehr als die unabweisbare Hilfe geleistet worden ist, kann der Sozialhilfeträger seine Hilfe für die Zukunft jederzeit auf das unabweisbare Maß reduzieren (OVG Hamburg, Beschluss v. 30.3.1994, Bs IV 56/94, FEVS 45 S. 209).

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