0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift trat als Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) am 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft. Absatz 1 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 gelten i. d. F. des Zuwanderungsgesetzes v. 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950), das am 1.1.2005 in Kraft trat. Abs. 3 Satz 1 wurde neu gefasst mit Wirkung zum 7.12.2006 durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des SGB XII v. 2.12.2006 (BGBl. I S. 2670). Seit dem hat die Vorschrift keine Änderungen erfahren.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift übernimmt in wesentlichen Teilen die Vorgängerbestimmung des § 120 BSHG (vgl. zur Ursprungsfassung den RegE, BR-Drs. 559/03 S. 21 und ausführlich zur Entstehungsgeschichte auch des § 120 BSHG: Adolph, in: Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsybLG, Stand: Mai 2007, § 23 Rz. 9 ff.).
Rz. 3
Absatz 1 Satz 4 ist auf Empfehlung des Bundestagsausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung eingefügt worden (Bericht in BT-Drs. 15/1734 S. 20 mit Begründung in BT-Drs. 15/1761 S. 5 f.). Zur Begründung wies der Ausschuss mit Recht darauf hin, dass bei Ausländern, deren Aufenthalt in Deutschland dauerhaft ist oder voraussichtlich dauerhaft sein wird (z. B. bei ausländischen Ehegatten deutscher Staatsangehöriger oder anderen Ausländern, bei denen das Ende des Aufenthaltes nicht absehbar sei), das Ermessen nach Abs. 1 Satz 3 in der Regel auf null reduziert sei. Dies werde durch Abs. 1 Satz 4 klargestellt.
Rz. 4
Die zweite Änderung erfuhr der Regierungsentwurf im Vermittlungsausschuss. Sie war insofern überwiegend redaktioneller Art., als sie sich als Konsequenz aus der Übernahme des GSiG in das SGB XII ergab. Nunmehr weist Abs. 1 Satz 2 darauf hin, dass die Vorschriften des Kap. 4, d. h. über die Grundsicherung, von Abs. 1 Satz 1 unberührt bleiben (vgl. BR-Drs. 945/03 S. 3).
Rz. 5
Schließlich sind Abs. 1 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 an den durch das Zuwanderungsgesetz v. 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) geänderten Sprachgebrauch angepasst worden. Der Anspruchsausschluss nach Abs. 3 Satz 1 wurde mit dem Gesetz zur Änderung des SGB XII v. 2.12.2006 (BGBl. I S. 2670) auf Ausländer, die nur zur Arbeitsuche eingereist sind, und deren Familienangehörige ausgedehnt. Damit hat der Gesetzgeber die Vorschrift an Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 EG v. 29.4.2004 (Abl. L 158 v. 30.4.2004 S. 77) angepasst (vgl. dazu Rz. 34 und 44).
Rz. 6
Unverändert ist es Sinn der Vorschrift, den grundsätzlichen Anspruch auf Sozialhilfe für den in Abs. 1 Satz 1 genannten Personenkreis zu beschränken. Gegen eine solche Beschränkung bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, weil der Gesetzgeber nicht hinter seiner aus Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abzuleitenden Verpflichtung zurückbleibt, das Existenzminimum des Einzelnen zu sichern. Es liegt auch kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Asyl vor (h. M. Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl. 2014, § 23 Rz. 4; BVerwG, Urteil v. 14.3.1985, 5 C 145/83, BVerwGE 71 S. 139; BVerfG, Kammerbeschluss v. 17.9.1997, 1 BvR 1401/97, FamRZ 1997 S. 1469).
2 Rechtspraxis
2.1 Sonderregelung für Sozialhilfegewährung an Ausländer (Abs. 1)
2.1.1 Umfang des Sozialhilfeanspruchs (Abs. 1 Satz 1 und 2)
Rz. 7
In Abs. 1 Satz 1 wird der Anspruch auf Sozialhilfe für Ausländer beschränkt. Ausländer im Sinne dieser Bestimmung ist – ebenso wie nach § 2 Abs. 1 AufenthG (Aufenthaltsgesetz v. 30.7.2004, BGBl. I S. 1950) – jeder, der nicht Deutscher i. S. v. Art. 116 Abs. 1 GG ist (vgl. hierzu Komm. zu § 24). Wegen dieser Negativabgrenzung kommt es nicht darauf an, ob eine anderweitige Staatsangehörigkeit besteht. Auch Staatenlose sind daher Ausländer i. S. v. Abs. 1 Satz 1, sofern für sie nicht nach Abs. 1 Satz 5 eine Sonderregelung eingreift (ebenso: Coseriu, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII Rz. 19). Auch EU-Bürger sind nach dieser Definition Ausländer, wobei fur sie Besonderheiten gelten (vgl. dazu auch Wahrendorf, a. a. O., § 23 Rz. 13 ff.)
Rz. 8
Der Anspruch auf Sozialhilfe ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich von vornherein für Ausländer mit Diplomatenstatus ausgeschlossen (vgl. Herbst, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 23 Rz. 5 m. w. N.). Artikel 33 Abs. 1 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961 (BGBl. II 1964 S. 957, 1006, 1018) lässt sich zur Begründung eines solchen Ausschlusses allerdings nicht heranziehen (so aber Adolph, a. a. O., § 23 Rz. 21). Danach sind diplomatische Vertreter nur in Bezug auf ihre Dienste für den Entsendestaat von den im Empfangsstaat geltenden Vorschriften über soziale Sicherheit befreit. Das System der deutschen Sozialhilfe knüpft jedoch, anders als die Sozialversicherung, nicht an die Beschäftigung und damit auch nicht an die "Dienste" an. Die Sozialhilfe begründet zudem primär Vorteile und zwingt nicht zur Beteiligung an einem System der sozialen Sicherheit. Nach Auffassung des BVerwG ergibt sich der Anspruchsausschluss für Ausländer mit Diplomatenstatus jedoch daraus, dass er mit dem Wesen und der Funktion des diplomatischen Dienstes unvereinbar sei (BVerwG, Urteil v. 29.2...