Rz. 14

Der Gesetzgeber war wohl der Ansicht, dass von § 32 Abs. 1 sowohl Personen erfasst werden, die ohnehin bedürftig i. S. d. § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 sind, als auch solche, die dies erst aufgrund der Beitragspflicht werden. Dafür sprechen der differenzierende Gesetzeswortlaut in Abs. 1 Satz 1 und 3 sowie die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 16/3100 S. 189 zu Art. 10). Es ist aber davon auszugehen, dass der zuerst genannte Personenkreis i. d. R. schon im Leistungsbezug (nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII) steht und deswegen nach den Vorschriften des § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V oder des § 2 Abs. 6a Satz 2 KVLG 1989 von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 7 KVLG 1989) ausgeschlossen ist. Diese Personen unterliegen von vornherein keiner Versicherungs- und damit auch keiner Beitragspflicht, für die der Leistungsträger einstehen müsste.

 

Rz. 15

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen Anwendungsbereich die Regelung überhaupt haben kann (dazu auch Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 32 Rz. 8 ff.; Pfriender, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 1.2.2020, § 32 Rz. 31, , sowie H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII, 20. Aufl. 2020, § 32 Rz. 18 ff.; kritisch zu der Regelung insgesamt Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 9/2018, § 32 Rz. 19 ff.). Ein Anwendungsbereich ergibt sich zunächst für Personen, die allein aufgrund der aus der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V resultierenden Beitragspflicht bedürftig i. S. d. § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 werden. Zwar handelt es sich auch bei der Gewährung von Leistungen nach § 32 um Hilfe zum Lebensunterhalt. Bei sachgerechter Betrachtung sind diese Leistungen aber nicht geeignet, die Ausschlusswirkung des § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V bzw. § 2 Abs. 6a Satz 2 KVLG 1989 auszulösen (so auch v. Boetticher/Münder, in: Conradis/ThiesBieritz-Harder, LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 32 Rz. 9); denn als Ziel der genannten Ausschlussregelungen ist es anzusehen, nur solche Personen von der Versicherungspflicht auszunehmen, die auf der Grundlage eines bereits bestehenden Leistungsbezugs – insbesondere nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII – einen Anspruch auf Leistungen bei Krankheit (etwa nach § 48 SGB XII oder nach § 264 SGB V) haben. Bei Personen, die allein aufgrund der Beitragspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 7 KVLG 1989 bedürftig werden, ist dies aber anders, da in diesen Fällen die Versicherungspflicht Ursache für den Leistungsanspruch ist.

 

Rz. 16

Auch der alleinige Vorbezug von Leistungen der Krankenhilfe nach dem Fünften Kapitel bzw. nach § 264 SGB V steht der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 7 KVLG 1989 nicht entgegen (Hess. LSG, Urteil v. 16.12.2010, L 8 KR 111/09 Rz. 26 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 18.4.2011, L 20 SO 78/10, Rz. 51 f.; Vorbem. zu Kap. 5; Söhngen, in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, Stand: 1.2.2020, § 48 Rz. 13, str.; a. A. Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 32 Rz. 8 m. w. N.). Verschiedene Urteile des BSG enthalten insoweit zwar missverständliche Ausführungen (vgl. Urteil v. 13.6.2007, B 12 KR 29/06 R Rz. 20, und v. 27.1.2010, B 12 KR 2/09 R Rz. 14). Inzwischen hat das BSG jedoch unmissverständlich klargestellt, dass § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V, der Leistungen nach dem Fünften Kapitel nicht erwähnt, für den Bereich des SGB XII eine (abschließende) Konkretisierung des negativen Tatbestandsmerkmals "kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall" enthält (vgl. Urteil v. 6.10.2010, B 12 KR 25/09 R Rz. 13, 24, und Urteil v. 3.7.2013, B 12 KR 2/11 R Rz. 16 m. w. N.).

 

Rz. 17

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit bilden die Fallgestaltungen, in denen bereits vor Eintritt der Bedürftigkeit Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 KVLG) bestand, es also nur um die Fortsetzung einer bereits bestehenden Versicherungspflicht geht (BSG, Urteil v. 6.10.2010, B 12 KR 25/09 R Rz. 24; Flint, a. a. O., Rz. 9; H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII, 20. Aufl. 2020, § 32 Rz. 19).

 

Rz. 18

Die Sätze 4 und 5 regeln Einzelheiten zur Abwicklung der Zahlungen zwischen dem Sozialleistungsträger und der Krankenkasse, die sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ergeben. Sinn der Regelung des Satzes 4 war nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 16/3100 S. 189 zu Art. 10) die Vermeidung bzw. Beseitigung von Beitragsrückständen von Leistungsberechtigten, die nachweislich ihrer Zahlungspflicht nicht nachkommen. Satz 4 verweist seinem Wortlaut nach auf sich selbst. Hierbei handelt es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen, gemeint ist Satz 3.

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