Rz. 113
Wie sich aus der Kommentierung zu Abs. 1 und 3 ergibt, bemessen sich die Leistungen für Unterkunft (und Heizung) grundsätzlich nach dem tatsächlichen (angemessenen) Aufwand. Abs. 4 lässt daneben eine Pauschalierung der Kosten der Unterkunft nach Ermessen des Trägers der Sozialhilfe (vgl. den Wortlaut des Satz 1: "kann") zu (vgl. zur Pauschalierung von Bedarfen für Heizung die Komm. zu Abs. 5). Eine solche Pauschalregelung kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn nicht für den Bereich des zuständigen Sozialhilfeträgers eine Satzung im Rahmen der §§ 22a bis 22c SGB II erlassen wurde (vgl. § 35 b Satz 3 und die Komm. zu § 35 b).
Rz. 114
Auch wenn bundeseinheitliche Pauschalen für Miete (einschließlich Heizung) wegen der regional unterschiedlichen Kosten nicht in Betracht kamen (s. o.), hat sich nach Auffassung des Gesetzgebers in den Modellvorhaben nach § 101a BSHG gleichwohl gezeigt, dass örtliche Pauschalierungen sowohl bei den Trägern der Sozialhilfe als auch bei den Leistungsberechtigten auf Zustimmung gestoßen sind und eine Abschaffung als Rückschritt angesehen werden würde. Daher sollen die Träger der Sozialhilfe eigenständig entscheiden können, ob sie eine verbindliche Pauschalierung einführen bzw. beibehalten oder nicht (BT-Drs. 15/1514 S. 59). Grundsätzlich bestehen keine Bedenken, die Kosten für Unterkunft (und auch für Heizung) pauschal abzugelten. Die Vorschrift ist aber dennoch nicht unproblematisch; denn wegen der tatsächlichen Schwankungsbreite der Unterkunftskosten ist auch im regionalen Bereich die Gefahr der Unter-, aber auch der Überdeckung des die Unterkunftskosten betreffenden Bedarfs sehr groß. Im Übrigen muss trotz der Pauschalierung die Möglichkeit offen gehalten werden, dem Einzelfallgrundsatz Rechnung zu tragen (vgl. Brühl, Grundsätzliches zur Sozialhilfereform, info also 2003, 16, 18).
Rz. 115
Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen Kriterien zu sehen, die das Gesetz für die Entscheidung des Leistungsträgers auflistet. Im Hinblick auf die Verbindlichkeit wurde es für notwendig gehalten, die Pauschalierung an die Voraussetzung zu knüpfen, dass der Wohnungsmarkt für Umzüge in bezahlbaren angemessenen Wohnraum auch tatsächlich offen ist. Bei der Konkretisierung dieses Merkmals kann auf die Rechtsprechung des BSG zur Festlegung der abstrakten Angemessenheitsgrenze (vgl. oben und z. B. BSG, Urteil v. 20.12.2011, B 4 AS 19/11 R Rz. 14) zurückgegriffen werden. Die weitere Voraussetzung in Abs. 4 Satz 1, wonach die Pauschalierung im Einzelfall zumutbar sein muss, berücksichtigt insbesondere den Umstand, dass alte und behinderte Menschen bei einem Umzug möglicherweise auf eine verlässliche Nachbarschaftshilfe verzichten müssten oder sie sich in einer neuen Umgebung nicht mehr zurechtfinden würden. Dass die Träger der Sozialhilfe bei einer Pauschalierung örtliche Wohnungsbaugesellschaften einbinden, wurde als selbstverständlich vorausgesetzt und bedurfte daher keiner ausdrücklichen Regelung (BT-Drs. 15/1514 S. 60).
Rz. 116
In Abs. 4 Satz 2 ist die konkrete Bemessung der Pauschalen für Unterkunftsbedarfe geregelt. Danach sind bei der Bemessung der Pauschale die tatsächlichen Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts, der örtliche Mietspiegel sowie die familiären Verhältnisse der Leistungsberechtigten zu berücksichtigen.
Im Hinblick auf den Bedarfsdeckungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1) wurde es für erforderlich gehalten, die Pauschalen anhand detaillierter Feststellungen am Wohnungsmarkt insbesondere unter Berücksichtigung des Mietspiegels festzusetzen (BT-Drs., a. a. O.).
Zum 1.1.2023 wurde Abs. 4 Satz 2 um Aspekte ergänzt, welche die familiären Verhältnisse beeinflussen können. Hierzu gehören insbesondere Anzahl, Alter und Gesundheitszustand der in der Unterkunft lebenden Personen. Auch bei einer Pauschalierung der Bedarfe sind also konkrete Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Aufzählung der familiären Umstände ist nicht abschließend ("insbesondere").
Rz. 117
Der Verweis in Abs. 4 Satz 3 auf Abs. 3 Satz 1 soll nach der Gesetzesbegründung gewährleisten, dass bisherige höhere Leistungen i. d. R. noch für maximal 6 Monate weiter zu erbringen sind, weil es für unbillig gehalten wurde, an Berechtigte mit höheren Wohnungskosten unmittelbar nach Einführung der neuen Regelung übergangslos nur noch die niedrigere Pauschale zu leisten (BT-Drs., a. a. O.). In Abs. 4 Satz 3 wird von seinem Wortlaut her jedoch lediglich auf Abs. 2 Satz 1 verwiesen, der die Beschränkung auf die Übergangszeit nicht enthält. Hierbei dürfte es sich um ein Redaktionsversehen handeln). Dafür spricht auch, dass mit Einfügung der Vorgängervorschrift des § 29 Abs. 1 in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung die bisherige Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Verordnung zu § 22 BSHG in zwei eigenständige Sätze aufgespalten wurde.
Rz. 118
Vermutlich wegen der dargestellten hohen Anforderungen an eine (rechtmäßige) Pauschalierung und kaum realisierbare Einsparpotentiale haben die Verwaltungsträger bisher kaum von der Möglichkeit des § 35 Abs...