Rz. 10b
Hinsichtlich der Sicherung einer Unterkunft ist eine Übernahme von Mietrückständen nur (i. S. d. Sätze 1 und 2) gerechtfertigt, wenn sie geeignet ist, die Unterkunft dauerhaft zu sichern. Daran fehlt es, wenn die Umstände, die für die aufgelaufenen Mietrückstände verantwortlich gewesen sind, trotz Übernahme der Mietschulden nicht zu beseitigen sind (vgl. LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss v. 19.4.2016, L 7 AS 170/16 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 16.9.2010, L 5 AS 288/10 B ER; SG Darmstadt, Beschluss v. 20.4.2006, S 16 SO 35/06 ER). An einer Rechtfertigung der Schuldübernahme kann es auch fehlen, wenn die monatlich anfallenden (Miet-)Kosten unangemessen (LSG Bayern, Beschluss v. 27.4.2018, L 11 AS 242/18 B ER Rz. 17) und die Mietschulden dadurch entstanden sind, dass der Leistungsberechtigte trotz Belehrung durch den Träger in einer unangemessen teuren Wohnung verblieben ist und die Differenz zwischen angemessenen und tatsächlichen Kosten nicht aufgebracht hat (vgl. LSG Hessen, Beschluss v. 9.11.2010, L 7 SO 134/10 B ER Rz. 32 f.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 1.8.2006, L 7 SO 2938/06 ER-B). Bei geringer Überschreitung der Angemessenheitsgrenze kann eine Rechtfertigung vorliegen (vgl. SG Darmstadt, a. a. O.).
Rz. 10c
Hinsichtlich des vorstehend angesprochenen Hauptanwendungsfalles der Strom- bzw. Energiekostenrückstände im Bereich der sonstigen Notlagen ist darauf hinzuweisen, dass der Betroffene verpflichtet ist, vorher alle ihm zur Verfügung stehenden Selbsthilfemöglichkeiten auszuschöpfen (vgl. LSG Berlin Brandenburg, Beschluss v. 27.3.2017, L 15 SO 333/16 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vo. 18.7.2012, L 7 AS 1256/12 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 23.3.2011, L 12 SO 49/09 Rz. 49). Es ist dem Betroffenen insbesondere abzuverlangen, sich um eine angemessene Ratenzahlungs- oder Stundungsvereinbarung mit dem Versorgungsunternehmen zu bemühen oder sogar den Anbieter zu wechseln (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.12.2015, L 2 AS 2028/15 B ER, vgl. i.d.Z. auch § 2 Abs. 5 StromGVV). Ebenso ist den Betroffenen i. d. R. abzuverlangen gegen eine Versorgungssperre auf dem Zivilrechtsweg vorzugehen (vgl. LSG Nordrhein Westfalen, Beschluss v. 25.11.2013, L 9 SO 441/13 B ER Rz. 7). Manifeste gesundheitliche – insbesondere psychische – Einschränkungen der betroffenen Person können dem jedoch im Einzelfall entgegenstehen. Die Schuldenübernahme ist erst gerechtfertigt, wenn derartige Bemühungen erfolglos geblieben sind (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 24.3.2010, L 10 AS 393/10 B ER Rz. 14/15; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 13.1.2012, L 3 AS 233/11 B ER zum Erfordernis der Anstrengung eines nicht aussichtslosen Zivilprozesses gegen den Stromversorger).
Rz. 10d
An einer Rechtfertigung für die Übernahme von Schulden (sei es als Beihilfe oder als Darlehen), kann es auch in Fällen des Missbrauchs fehlen, z. B., wenn der Betroffene die Schulden im Vertrauen darauf auflaufen ließ, der Leistungsträger werde die Schulden übernehmen (BT-Drs. 13/2240 S. 19; LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse v. 13.3.2013, L 2 AS 842/13 ER-B, sowie v. 1.3.2011, L 12 AS 622/11 ER-B Rz. 12 m. w. N.) oder wenn er sein Einkommen einsetzt, ohne vorher seinen Lebensunterhalt zu decken (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss v. 23.3.1995, 12 CE 95.547). Einen Grundsatz des Inhalts, dass Schulden nur dann übernommen werden könnten, wenn sie "unverschuldet" aufgelaufen sind, existiert jedoch nicht.