Rz. 15
Neben dem Bedeutungswandel der Regelungen des Fünften Kapitels in quantitativer Hinsicht, ist es auch inhaltlich zu einer Änderung der Bedeutung der Krankenhilfe gekommen.
Rz. 16
Im Rahmen der Neukonzeption der Regelsätze bzw. Regelbedarfe (§ 28 a. F., jetzt § 27a) wurden dem Regelsatz auch die Kosten bei Krankheit zugeschlagen, die nicht von den Hilfen nach §§ 47 bis 52 erfasst sind. Gleichzeitig wurde § 38 Abs. 2 BSHG (aufstockende Hilfen) gestrichen bzw. nicht in das neue Recht übernommen. Nach dieser Regelung mussten die Hilfen zur Gesundheit früher den im Einzelfall notwendigen Bedarf in voller Höhe befriedigen, wenn eine teilweise Kostenbeteiligung des Empfängers nach den gesetzlichen Vorschriften vorgesehen war und keine Befreiung in Betracht kam (zu Einzelheiten vgl. Rz. 6).
Rz. 17
Durch den ersatzlosen Wegfall der früheren Regelung in § 38 Abs. 2 BSHG, die zusätzlich noch die Grundlage für die Übernahme von notwendigen Fahrkosten im Zusammenhang mit einer Krankenbehandlung enthielt, werden Leistungsberechtigte, die über § 264 SGB V Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten, insbesondere bei den Zuzahlungen Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich gleichgestellt (vgl. BT-Drs. 15/1525 S. 167 zu § 51). Für aufstockende Leistungen ist nach der Gesetzesänderung kein Raum mehr (so auch H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 48 Rz. 46 f.; vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.11.2007, L 7 SO 4180/06 – keine aufstockenden Leistungen; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 20.4.2006, L 8 SO 56/05 – keine Übernahme von Zuzahlungen für Arznei- und Verbandmittel; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.6.2006, L 20 B 57/06 SO ER, und Urteil v. 9.6.2008, L 20 SO 65/06, sowie SG Köln, Beschluss v. 5.12.2006, S 27 SO 162/06 ER, und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 31.1.2011, L 20 SO 9/09 – keine Kostenübernahme für nicht verschreibungspflichtige ("OTC") Arzneimittel; SG Aachen, Urteil v. 31.5.2006, S 19 SO 48/06 – keine Übernahme von Zuzahlungsbeträgen für eine bevorstehende Kurmaßnahme, Nichtzulassungsbeschwerde zum LSG Nordrhein-Westfalen, L 20 B 81/06 SO, erfolglos), was nach Auffassung des BSG – auch verfassungsrechtlich – unbedenklich ist (vgl. etwa BSG, Urteil v. 22.4.2008, B 1 KR 10/07 R; BSG, Beschluss v. 5.7.2016, B 1 KR 18/16 B, und v. 8.3.2016, B 1 KR 99/15 B Rz. 8, sowie Urteil v. 6.3.2012, B 1 KR 24/10 R Rz. 35 m. w. N.; BSG Urteil v. 16.12.2010, B 8 SO 7/09 R Rz. 16 ff. m. w. N. – zu Befreiung von Zuzahlungen; vgl. zu der Problematik insgesamt auch Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 48 Rz. 50 ff. m. w. N.). Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass die Rechtsprechung des BVerwG zu den "aufstockenden Leistungen" (vgl. Rz. 6 a. E.) schon vor Einführung des § 38 BSHG entwickelt wurde und in der Argumentation allgemein auf den auch im Rahmen des SGB XII geltenden Bedarfsdeckungsgrundsatz abstellte. Denn anders als im BSHG muss aufgrund der Überlegungen des Gesetzgebers bei der Neukonzeption der Regelsätze im SGB XII für alle Berechtigten einheitlich davon ausgegangen werden, dass der Bedarf grundsätzlich bei der Bemessung der Regelsätze berücksichtigt wurde (vgl. zu weiteren Einzelheiten auch Dillmann, ZfF 2008 S. 87, 104, und Hinweise des Deutschen Vereins zur Verbesserung der gesundheitlichen Teilhabe, NDV 2009 S. 119; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 16.12.2008, L 23 B 128/08 SO PKH).
Rz. 18
Dies wiegt besonders schwer, weil nicht nur die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich erwähnten verhältnismäßig überschaubaren Zuzahlungen (vgl. dazu auch die Spezialregelungen in § 35 Abs. 3 bis 5 und § 37 Abs. 2 Satz 2) – diese sind nach § 62 SGB V "gedeckelt" – aus dem Regelsatz zu decken sind, sondern auch weitere "Eigenleistungen", die vom Leistungsspektrum des SGB V nicht (mehr) erfasst werden (Ebsen, SDSRV 56 S. 133, 140 f., Deutscher Verein, a. a. O.). Hierzu zählen z. B. bestimmte Kosten für Brillen und Kontaktlinsen (vgl. dazu etwa LSG Niedersachsen Bremen, Urteil v. 31.8.2017, L 8 SO 79/14 Rz. 37 ff. – Revision anhängig unter B 8 SO 4/18 R; BSG, Urteil v. 23.6.2016, B 3 KR 21/15 R Rz. 24 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 18.8.2005, L 23 B 1020/05 SO ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.1.2006, L 20 B 69/05 SO ER, sowie Beschluss v. 16.1.2009, L 20 B 116/08 SO Rz. 7 – zur Frage der vorrangigen Leistungspflicht der Krankenversicherung bei einer Brillenversorgung bzw. der Deckung der entsprechenden Kosten aus dem Regelsatz), Hörgerätebatterien (hierzu BSG, Urteil v. 19.5.2009, B 8 SO 32/07 Rz. 24 ff. – danach ist zu prüfen, ob es sich um Leistungen der medizinischen Rehabilitation z. B. nach dem SGB VI bzw. VII oder der Eingliederungshilfe handeln kann), medizinisch notwendige, jedoch nicht verschreibungsfähige Medikamente sowie bestimmte Fahrkosten (vgl. SG Dresden, Urteil v. 18.8.2005, S 18 KR 576/05 Rz. 32 – zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses der Übernahme von Fa...