Rz. 54
Abs. 2 legt abschließend fest, welche Beträge von der Summe der (Brutto-)Einkünfte abzuziehen sind (gebundene Entscheidung). Dies führt dazu, dass in der Sozialhilfe nur das sog. bereinigte Nettoeinkommen einzusetzen ist. Die Absetzungsbeträge sind jeweils in dem Monat zu berücksichtigen, indem sie tatsächlich abgeflossen sind (vgl. BSG, Urteil v. 4.4.2019, B 8 SO 10/18 R).
2.4.1 Steuern (Abs. 2 Nr. 1)
Rz. 55
Auszusparen sind die Steuern, die auf das Einkommen tatsächlich entrichtet werden. Hierzu gehören die Lohn- und Einkommensteuer, der Solidaritätszuschlag (zum BSHG: VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 21.3.1996, 6 S 1342/93), die Kirchensteuer sowie die Kapitalertragsteuer (§ 6 Abs. 2 DVO). Verkehrssteuern wie Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer und Grunderwerbsteuer sowie Verbrauchssteuern wie Strom- und Mineralölsteuer und Besitzsteuern wie Kfz-Steuer, Hundesteuer und Grundsteuer werden nicht auf das Einkommen erhoben und sind deshalb nicht absetzbar (vgl. Schmidt, in: jurisPK-SGB XII, § 82 Rz. 88; Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 82 Rz. 99; zur Kfz-Steuer vgl. BSG, Urteil v. 18.3.2008, B 8/9b SO 11/06 R).
2.4.2 Sozialversicherungspflichtbeiträge (Abs. 2 Nr. 2)
Rz. 56
Pflichtbeiträge sind alle Beiträge, die versicherungspflichtige Personen (§§ 25, 26 SGB III, § 5 SGB V, §§ 1 bis 3 SGB VI, § 2 SGB VII, § 20 SGB XI) kraft Gesetzes (oder Satzung) zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung zahlen. Zur Sozialversicherung gehören die gesetzliche Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 SGB I, § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Abzuziehen sind jeweils nur die Beiträge, die der Hilfesuchende selbst trägt, nicht jedoch auch die Beitragsanteile, die ein Arbeitgeber, Auftraggeber oder eine sonstige Stelle trägt, die die Aufgaben eines Arbeitgebers wahrnimmt. Bei sozialversicherten Selbständigen, Gewerbetreibenden und Landwirten ist stets zu prüfen, ob ihre Pflichtbeiträge bereits im Rahmen des § 4 DVO als "notwendige Ausgaben" einkunftsmindernd berücksichtigt worden sind, weil eine doppelte Anrechnung unzulässig ist. Beiträge freiwillig Versicherter sind nicht nach Abs. 2 Nr. 2, sondern ggf. nach Nr. 3 abzusetzen.
2.4.3 Sonstige Versicherungsbeiträge und Altersvorsorgebeiträge (Abs. 2 Nr. 3)
Rz. 57
Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen sind vom Einkommen abzusetzen, wenn sie entweder gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind. Hiermit will der Gesetzgeber einerseits gewährleisten, dass dem Leistungsberechtigten ausreichende Mittel für seinen Versicherungsschutz verbleiben, und andererseits verhindern, dass durch unangemessene Versicherungen die Voraussetzungen zum Sozialhilfebezug erst geschaffen werden.
Rz. 58
Bei den Versicherungen ist zu unterscheiden zwischen den gesetzlich vorgeschriebenen, denen sich der Hilfesuchende nicht entziehen kann, und solchen Versicherungen, die er freiwillig abschließt.
Rz. 59
Gesetzlich vorgeschrieben sind die Beiträge zur Pflegeversicherung für privat Krankenversicherte (§ 23 SGB XI) oder zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen (Versorgungswerke) bzw. Kammern (Rechtsanwalts-, Handwerks- oder Industrie- und Handelskammer) sowie bestimmte Haftpflichtversicherungen wie z. B. die Berufshaftpflicht (Schmidt, in: jurisPK-SGB XII, § 82 Rz. 91 ff.; zum BSHG: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 25.1.1988, 8 A 1052/86). Die Kfz-Haftpflichtversicherung (in Höhe der gesetzlichen Mindestdeckungssumme) ist zwar gesetzlich vorgeschrieben, beruht jedoch auf der freiwilligen Entscheidung, ein Kfz zu halten. Ist es dem Leistungsberechtigten zuzumuten, auf sein Kfz zu verzichten (z. B. weil er es nicht für eine Berufstätigkeit oder anderen sozialhilferechtlich anerkannten Zwecken benötigt), sind die entsprechenden Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung nicht abziehbar (BSG, Urteile v. 18.3.2008, B 8/9b SO 11/06 R, und v. 4.4.2019, B 8 SO 10/18 R; zum BSHG: OVG Lüneburg, Urteil v. 29.11.1989, 4 A 205/88; offen gelassen vom BVerwG, Urteil v. 4.6.1981, 5 C 12/80). Dasselbe gilt für eine Tierhalterhaftpflichtversicherung (zum SGB II: BSG, Urteil v. 8.2.2017, B 14 AS 10/16 R; zum BSHG: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 25.1.1988, 8 A 1052/86). Nicht abzusetzen sind ferner Gebühren, wie die Fernseh- und Rundfunkgebühren oder die Kanal-, Schornstein- und Müllabfuhrgebühren (vgl. zum BSHG: Bay. VGH, Urteil v. 31.5.1968, 162 III 66).
Rz. 60
Freiwillige Versicherungen sind ihrem Grund nach angemessen, wenn sie den Hilfebedürftigen in ähnlicher Weise vor den Wechselfällen des Lebens schützen wie die Sozialversicherung. Ist der Hilfebedürftige in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- oder Rentenversicherung freiwillig versichert, so sind seine Beiträge nach Grund und Höhe immer angemessen. Das gilt auch für Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für Selbständige (zum SGB II: BSG, Urteil v. 1.6.2010, B 4 AS 67/09 R). Der Abschluss einer privaten Kranken-, Pflege- oder Rentenversicherung ist zumindest dem Grunde nach angemessen (vgl. auch § 32). Es ist zu prüfen, ob der Hilfebedürftige einen möglichen Bedarf versi...