Rz. 5
Das Feststellungsverfahren nach § 95 beinhaltet keine Feststellung im eigentlichen Sinne, also des Inhalts, es wird festgestellt, dass der Leistungsberechtigte Anspruch auf die (vorrangige) Sozialleistung hat. Es wird vielmehr dem Sozialhilfeträger die Befugnis eingeräumt, das fremde Recht auf die vorrangige Sozialleistung im eigenen Namen gegenüber dem anderen Leistungsträger geltend zu machen (BVerwG, Urteil v. 29.9.2005, 5 C 7/03, BVerwGE 124 S. 239; VGH Bayern, Urteil v. 13.5.2008, 12 B 06.3207; LSG Niedersachsen, Urteil v. 14.7.2000, L 9 V 70/96 m. w. N.); von dieser Befugnis zur Geltendmachung nicht umfasst ist aber z. B. ein anstelle des Hilfeempfängers erklärter Verzicht auf Sozialleistungen (VG Ansbach, Urteil v. 30.7.2009, AN 14 K 08.02015). Mit anderen Worten: Der Sozialhilfeträger begehrt (ggf. klageweise) im eigenen Namen die Gewährung der fremden Leistung an den Leistungsberechtigten. Sind der Sozialhilfeträger und der erstattungspflichtige Leistungsträger identisch (z. B. Sozialamt und Wohngeldstelle in einer Kommunalverwaltung) schließt dieser Umstand ein Feststellungsverfahren nicht aus (vgl. Kirchhoff, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 95 Rz. 37; a. A. Vogel, SGb 1993 S. 355; Schoch, info also 2002 S. 243), jedoch fehlt es einer sich an das Verwaltungsverfahren anschließenden Klage am Rechtsschutzbedürfnis, wenn eine einheitliche, zur Entscheidung befugte Verwaltungsspitze vorhanden ist (H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, § 95 Rz. 13; undifferenziert Münder, in: LPK-SGB XII, § 95 Rz. 3). Es ergibt sich folgendes Verfahren: Der Sozialhilfeträger muss zunächst mit dem Leistungsbegehren an den anderen Träger herantreten. Im Bewilligungsverfahren gelten grundsätzlich die gleichen Grundsätze wie gegenüber dem Leistungsberechtigten, der gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X am Verfahren zu beteiligen ist (vgl. Zeitler, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 95 Rz. 16). Allerdings kann bei fehlender Mitwirkung des Sozialhilfeträgers die Leistung nicht über § 66 SGB I versagt werden. Denn die Leistungsträger sind über §§ 3 ff. SGB X zur gegenseitigen Amtshilfe verpflichtet und arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 86 SGB X zusammen (ähnlich auch: VGH BW, Beschluss v. 19.4.2004, 12 S 1576/03). Das Verwaltungsverfahren wird durch Verwaltungsakt abgeschlossen, der sowohl gegenüber dem Sozialhilfeträger als auch gegenüber dem Leistungsberechtigten zu erlassen ist (BSG, Urteil v. 19.12.1991, 12 RK 24/90, Rz. 21, juris). Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, ist die Leistung an den erstattungsberechtigten Sozialhilfeträger zu erbringen, ansonsten sind die Leistungen an den Leistungsberechtigten auszuzahlen (vgl. BSG, Urteil v. 26.1.2000, B 13 RJ 37/98 R, Rz. 24, juris; H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, § 95 Rz. 14: Kirchhoff, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 95 Rz. 32).
Wird der Antrag durch Bescheid abschlägig beschieden, so kann der Sozialhilfeträger Widerspruch erheben. Denn er ist nach Satz 1 befugt, Rechtsmittel einzulegen. Er muss dies tun, wenn er Klage erheben will, da die Sozialhilfeträger keine Versicherungsträger sind und nur Letztere nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG vom Vorverfahrenszwang ausgenommen sind. Erhebt der Sozialhilfeträger Klage, so liegt ein Fall gesetzlicher Prozessstandschaft vor, aufgrund derer der Sozialhilfeträger sowohl in materieller als auch in prozessualer Hinsicht die gleiche Rechtsstellung wie der Berechtigte einnimmt, ohne diesen zu verdrängen (LSG Nds., Urteil v. 14.7.2000, L 9 V 70/96 m. w. N.). Damit vermittelt § 95 dem Sozialhilfeträger keine weitergehenden Rechte, als sie der Berechtigte selbst innehat, weswegen der Sozialhilfeträger bei der gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs auf Sozialleistungen an das jeweils anzuwendende Verfahrensrecht gebunden ist. Hieraus folgt zunächst, dass sich der Rechtsweg nach der Rechtsnatur der geltend gemachten Sozialleistung bestimmt. Sachlich zuständig können damit sowohl Sozial-, Verwaltungs- als auch Finanzgerichte sein, Letztere für Kindergeld. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem jeweiligen Verfahrensrecht ausschließlich im Verhältnis Kläger/Beklagter; der Leistungsberechtigte ist notwendig beizuladen (§ 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG). Ferner gilt die Bindung an das Verfahrensrecht auch hinsichtlich der von diesem zur Verfügung gestellten Klagearten (LSG Nds., a. a. O.). Damit ist regelmäßig keine Feststellungsklage im prozessualen Sinne statthaft. Vielmehr handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungs- bzw. Verpflichtungsklage i. S. v. § 54 Abs. 4 SGG, § 42 Abs. 1 VwGO, § 40 Abs. 1 FGO. Stirbt der Leistungsberechtigte nachdem der Sozialhilfeträger das Feststellungsverfahren in Gang gesetzt oder den Erstattungsanspruch geltend gemacht hat, führt dies nach § 59 Satz 2 SGB I nicht zum Erlöschen des Anspruchs bzw. zum Ausschluss des Feststellungsrechts (vgl. vgl. Armbruster, in jurisPK-SGB XII, § 95 Rz. 52; H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, § 95 Rz. 12; Zeitle...