Leitsatz (amtlich)
Fahrtkosten des Unterhaltspflichtigen für dessen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte, die nur dadurch entstanden sind, weil er im Verlauf des Scheidungsverfahrens von der nach der Trennung innegehabten Wohnung zu seiner neuen Lebenspartnerin gezogen ist, sind in Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige aufgrund eingeschränkter Leistungsfähigkeit nur etwa ein Drittel des gesetzlichen Mindestunterhalts für seine minderjährige, aus der geschiedenen Ehe hervorgegangenen Tochter zu zahlen in der Lage ist, nur nach einer umfassenden Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte als Abzugsposten zuzulassen.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 29.04.2013; Aktenzeichen 138 F 6903/12) |
Tenor
Der Antrag des Antragstellers, Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Beschwerde in der Folgesache Kindesunterhalt gegen den am 29.4.2013 bekannt gegebenen Anerkenntnisteil- und Schlussbeschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - 138 F 6903/12 - zu bewilligen, wird zurückgewiesen
Gründe
I. Der Antragsteller, Vater der am 7.6.1996 geborenen, im Haushalt der Mutter lebenden Jugendlichen D S, wendet sich gegen die Entscheidung des Familiengerichts, durch die er verpflichtet wurde, an seine minderjährige Tochter zu Händen der Mutter über den von ihm anerkannten Unterhalt von 80 EUR/Monat hinaus einen monatlichen Unterhalt i.H.v. insgesamt 120 EUR zu zahlen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angegriffene Entscheidung verwiesen.
Der Antragsteller meint, nicht mehr als 80 EUR Unterhalt im Monat leisten zu können. Sein Monatseinkommen von durchschnittlich etwa 1.120 EUR sei in unterhaltsrechtlicher Hinsicht um die Kosten für eine Monatsfahrkarte i.H.v. 59,13 EUR zu bereinigen, weil er - insoweit unstreitig - im Zuge des Scheidungsverfahrens zu seiner neuen Lebenspartnerin gezogen sei und deshalb nicht mehr in fußläufiger Entfernung zu seinem Arbeitsplatz, einem Alten- und Pflegeheim, sondern etwa 10-14km entfernt wohne. Eine Kürzung des ihm zu belassenden Selbstbehalts aufgrund des kostengünstigeren, gemeinsamen Wirtschaftens mit seiner Lebenspartnerin komme nicht in Betracht, weil diese nicht leistungsfähig sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rechtsbehelfsschrift vom 7.6.2013 nebst Anlage Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin verteidigt die familiengerichtliche Entscheidung; wegen der Einzelheiten wird auf die Erwiderungsschrift vom 8.7.2013 verwiesen.
II.1. Der Antrag ist zulässig; insbesondere wurde er vom Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) beim zuständigen Gericht (§ 64 Abs. 1 Satz 2 FamFG) angebracht.
2. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage kommt eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die vom Antragsteller beabsichtigte Beschwerde gegen die Verpflichtung zur Unterhaltszahlung, soweit er mehr als 80 EUR monatlich leisten soll, mangels Erfolgsaussicht nicht in Betracht (§§ 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 114, 119 Abs. 1 ZPO):
a) Allerdings weist der Antragsteller zu Recht darauf hin, dass sein Einkommen grundsätzlich um die - entweder (wie hier) konkret oder pauschal angesetzten - berufsbedingten Aufwendungen zu bereinigen ist. Denn hierbei handelt es sich um notwendige Aufwendungen, um das eigene Einkommen zu erzielen, die jedenfalls dann grundsätzlich einkommens- bzw. leistungsfähigkeitsmindernd zu berücksichtigen sind, soweit sie sich wie etwa die Kosten für die Fahrt zur Arbeitsstätte von den allgemeinen Aufwendungen für die private Lebenshaltung eindeutig abgrenzen lassen und der Abzug, insgesamt betrachtet, nicht unangemessen erscheint (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis [8. Aufl. 2011], § 1 Rz. 122 f. sowie unterhaltsrechtlichen Leitlinien des KG Nr. 10.2, 10.2.1 sowie 10.2.2). Dass das Familiengericht dem Antragsteller einen pauschalen Abzug von 5 % des Nettoeinkommens - bei seinem Nettoeinkommen von ca. 1.120 EUR/Monat wären dies etwa 56 EUR - versagt und einen konkreten Nachweis gefordert hat, ist nicht zu beanstanden. Vielmehr steht diese Vorgehensweise im Einklang mit den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des KG, wonach bei beschränkter Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen - mit der angegriffenen Entscheidung wurde der Antragsteller zu einer Unterhaltszahlung i.H.v. lediglich etwa einem Drittel des gesetzlichen Mindestunterhalts (Zahlbetrags) von 334 EUR/Monat verpflichtet - im Einzelfall mit konkreten Kosten gerechnet werden kann (vgl. Leitlinie Nr. 10.2.1, Satz 3).
Vom Antragsteller wird jedoch übersehen, dass bei der Berechnung von Fahrtkosten stets die wirtschaftlichen Verhältnisse aller Beteiligter zu betrachten sind; das gilt insbesondere dann, wenn durch die Kosten für die Fahrt zur Arbeitsstelle ein so großer Teil des Einkommens aufgezehrt wird, dass der Unterhaltspflichtige deshalb keinen ausreichenden Unterhalt mehr zahlen kann (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.1988 - IVb ZR 23/88 -, FamRZ 1989, 483 [bei juris LS 1] sowie Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlich...