Rz. 19
Vorschriften, die sich mit dem Erlöschen der Einzelansprüche auf Sozialleistungen befassen, fehlen. Nicht genannt und eigenständig geregelt ist insbesondere das Erlöschen durch Erfüllung (vgl. § 362 BGB). Für die Erfüllung von Geldleistungen regelt § 47 zwar nur die Modalitäten der Auszahlung, meint damit zugleich aber auch die Erfüllung der Ansprüche durch unbare Zahlung (vgl. Komm. zu § 47). Der Aufrechnung/Verrechnung (§§ 51, 52), der Zahlung an Dritte (§§ 48 bis 50) und der Abtretung bzw. Pfändung (§§ 53, 54) kommt, ohne dass dies dort ausdrücklich als Rechtsfolge genannt ist, aber ebenfalls Erfüllungswirkung zu. Von den Möglichkeiten des Erlöschens von Ansprüchen werden nur der Verzicht (§ 46) und das Erlöschen im Todesfall (§ 59) geregelt. Ein Erlöschen durch die Fiktion der Erfüllung ergibt sich auch aus § 107 SGB X, wenn der unzuständige Leistungsträger Leistungen erbracht hatte, die mit dem tatsächlichen Anspruch des zuständigen Leistungsträgers deckungsgleich sind.
Rz. 20
Auch eine allgemeine ausdrückliche Regelung über den Wegfall bzw. das Erlöschen der kraft Gesetzes entstandenen Ansprüche fehlt. In Umkehrung der in Abs. 1 aufgestellten Regel des Entstehens der Ansprüche mit dem vollständigen gesetzlichen Tatbestand folgt das materielle Erlöschen mit dem Wegfall einer der gesetzlich bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen.
Rz. 21
Dieser Grundsatz gilt für alle gesetzlichen Ansprüche auf Sozialleistungen. Soweit für Leistungen, insbesondere Renten aller Art, durch Vorschriften der Leistungszeitraum auf den vollen Kalendermonat abgerundet wird, wenn die Anspruchsvoraussetzungen weggefallen sind (z. B. § 100, § 105 SGB VI, § 73 SGB VII, § 60 Abs. 4 Satz 1 BVG), bestätigen diese ausdrücklichen Regelungen als Sondervorschriften den Wegfall des gesetzlichen Anspruchs mit dem Fehlen aller Tatbestandsmerkmale.
Rz. 22
Obwohl das gesetzliche Entstehen von Sozialleistungsansprüchen grundsätzlich keinen Verwaltungsakt darüber erfordert und einem solchen lediglich deklaratorische Bedeutung zukommen kann, bedeutet das Fehlen eines gesetzlichen Erlöschenstatbestands, dass auch einem lediglich deklaratorisch erlassenen Verwaltungsakt anspruchsbegründende Wirkung für die Zukunft zukommt, solange er nicht aufgehoben ist. Dies folgt aus der Anwendung der §§ 45 ff. SGB X, die ungeachtet der konstitutiven oder nicht konstitutiven Bedeutung der Verwaltungsakte die formelle Aufhebung verlangen, was im Regelfall lediglich mit Wirkung für die Zukunft erfolgen kann. Lediglich ausnahmsweise kommt nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X die Aufhebung ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen in Betracht. Eigenständige gesetzliche Regelungen über das Unwirksamwerden kraft Gesetzes eines notwendig schriftlich zu erteilenden Bewilligungsbescheides über Wohngeld (§ 24 WoGG) enthält nunmehr § 28 WoGG, für die Fälle des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen für das Wohngeld.