Rz. 37

In einigen Gesetzen sind Sonderregelungen über die zulässige vorläufige Leistungsgewährung vor der endgültigen Feststellung des Anspruchs vorgesehen. Da diese nicht nur an den feststehenden und lediglich der Höhe nach unklaren Geldanspruch anknüpfen, handelt es sich weitgehend nicht um i. S. v. § 37 vorgehende, sondern eigenständige Vorschriften, die daneben die Anwendung des § 42 zulassen. Solche Regelungen können sich einerseits auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Leistungsgewährung beziehen, indem eine Leistung (als Vorschuss) schon gewährt werden kann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen noch nicht vollständig geklärt sind, aber dafür eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, oder andererseits, wenn die genaue Höhe der Leistung noch nicht geklärt ist.

 

Rz. 38

Nach § 328 Abs. 1 SGB III können vorläufige Entscheidungen getroffen und Leistungen auch bei noch nicht vollständig geklärtem Sachverhalt erbracht werden, wenn die Anspruchsvoraussetzungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. dazu Schmidt-De Caluwe, NZS 2001 S. 240). Diese Regelung unterscheidet sich insoweit von der Vorschussgewährung, als hier das Bestehen des Anspruchs noch nicht sicher ist.

 

Rz. 39

Nach § 60a Abs. 1 und 5 BVG sind Ausgleichsrenten oder sonstige einkommensabhängigen Bezüge vorläufig festzusetzen, wenn die endgültige Festsetzung wegen ungewisser Höhe der Einkünfte noch nicht möglich ist. Sind die Einkünfte bekannt, erfolgt dann die endgültige Festsetzung.

 

Rz. 40

Nach § 51 Abs. 2 BAföG ist bei erstmaliger Antragstellung oder nach Unterbrechung Ausbildungsförderung für 4 Monate unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen, wenn die zur Entscheidung über den Antrag erforderlichen Feststellungen nicht innerhalb von 6 Wochen getroffen werden können oder eine Zahlung innerhalb von 10 Wochen nicht geleistet werden kann.

 

Rz. 41

Nach § 62 SGB VII sollen während der ersten 3 Jahre nach dem Versicherungsfall Renten als vorläufige Entschädigung festgesetzt werden, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht endgültig feststellbar ist. Spätestens mit Ablauf von 3 Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet (zur Differenzierung zwischen Entschädigung und Rente auf unbestimmte Zeit vgl. Komm. zu § 62 SGB VII). Auch diese Regelung unterscheidet sich insoweit von der Vorschussgewährung, als hier das Bestehen des Anspruchs noch nicht sicher ist.

 

Rz. 41a

§ 22 Abs. 4 KOVVfG lässt einen Bescheid unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der endgültigen Entscheidung zu, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung bestimmter Leistungen mit Wahrscheinlichkeit gegeben sind, dies beantragt ist und der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Erteilung eines solchen vorläufigen Bescheides hat. Auch hier erfolgt die Vorschussgewährung durch einen vorläufigen Bescheid, obwohl die Leistungsvoraussetzungen noch nicht abschließend geklärt sind. Trotz dieser Regelung ist der Versorgungsträger jedoch nicht gehindert, Vorschüsse nach § 42 zu erbringen (BSG, Urteil v. 16.6.1999, B 9 V 13/98 R, SozR 3-1200 § 42 Nr. 8).

 

Rz. 41b

Mit Art. 1 Nr. 36, Art. 4 Abs. 1 des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016 (BGBl. I S. 1824, 2718) wurden mit Wirkung zum 1.8.2016 der § 41a über eine vorläufige Bewilligung von Leistungen in das SGB II eingefügt, die als speziellere Vorschrift gegenüber § 42 anzusehen ist, so dass § 42 daneben wohl keine Anwendung mehr finden kann. Danach ist über die Erbringung von Geld- oder Sachleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn Abs. 1 Nr. 1. zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist und die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen oder Abs. 1 Nr. 2. ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Abweichend von sonstigen Vorschriften über Vorschüsse ist eine vorläufige Leistungsgewährung hier auch für Sachleistungen vorgesehen. Dies wurde für erforderlich gehalten, weil Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 24 SGB II auch als Sachleistungen erbracht werden können (BT-Drs. 18/8909 S. 33). Besteht eine Bedarfsgemeinschaft aus mehreren Personen, ist über den Leistungsanspruch aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft vorläufig zu entscheiden, obwohl es einen solchen Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft nicht gibt, sondern dieser sich aus den Einzelansprüchen der beteiligten Personen zusammensetzt (vgl. BSG, Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 8/06 R, BSGE 97 S. 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Eine vorläufige Entscheidung ist ausgeschlossen, wenn die Leistungsberechtigten die Umstände zu vertreten haben, die einer abschließenden Entscheidung entgegenstehen; insbesondere also in den Fällen der Nichtmitw...

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