0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit dem SGB I durch Gesetz v. 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015) zum 1.1.1976 in Kraft getreten und seither nicht geändert worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift enthält und regelt einen als Verrechnung bezeichneten Sonderfall der Aufrechnung, bei dem in Abweichung von der Aufrechnung das Merkmal der Gegenseitigkeit der Forderungen auf Seiten des geldleistungspflichtigen Sozialleistungsträges fehlt. Das Institut der Verrechnung, das auch der gesetzlich Regelung des Beitragseinbehalts (§§ 254, 255 SGB V) zugrunde liegt, hat weder im BGB noch in sonstigen Rechtsbereichen eine Parallele. Die Vorschrift ermöglicht dem zur Geldleistung verpflichteten (zuständigen) Sozialleistungsträger die Erfüllung des ihm obliegenden Sozialleistungsanspruchs in Geld durch die Verrechnung (Aufrechnung) mit einer dem Sozialleistungsberechtigten gegenüber bestehen Geldforderung eines anderen Sozialleistungsträgers. Die gegenüber der Aufrechnungslage fehlende Gegenseitigkeit wird durch die Ermächtigung des dem Sozialleistungsberechtigten gegenüber anspruchsberechtigten Sozialleistungsträger ersetzt.
Rz. 3
Die Vorschrift beruht nach der Gesetzesbegründung auf der Erwägung, dass im Sozialrecht angesichts derselben oder ähnlichen Zielsetzung aller Sozialleistungen, der Verpflichtung aller Leistungsträger zur engen Zusammenarbeit und des Strebens nach Verwaltungsvereinfachung auf die Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen verzichtet werden kann (BT-Drs. 7/868 S. 32). Damit trägt die Vorschrift der Tatsache Rechnung, dass im Sozialleistungsbereich eine Vielzahl von verschiedenen Sozialleistungsträgern für einen Sozialleistungsberechtigten zuständig und diesem gegenüber leistungspflichtig sein können, der Sozialleistungsberechtigte andererseits aber auch Ansprüchen verschiedener Sozialleistungsträger ausgesetzt sein kann. Wegen der engen Zusammenarbeit der Träger wird diesen die rechtliche Möglichkeit eröffnet, sich wegen ihrer Ansprüche auch aus Sozialleistungsansprüchen anderer Träger durch Aufrechnung (Verrechnung) zu befriedigen, ohne auf den Weg der Pfändung im Wege der Zwangsvollstreckung dieser Ansprüche angewiesen zu sein. Entsprechend der Zwecksetzung von Aufrechnung und Verrechnung als Surrogat für die Erfüllung von Sozialleistungsansprüchen, ist die Verrechnung als Befugnis des geldleistungspflichtigen Trägers formuliert, weil es sich um eine Abweichung vom Erfüllungsweg des § 47 handelt.
Rz. 4
Im Ergebnis kommt die Verrechnung der zivilrechtlichen Forderungsabtretung zum Zwecke der Herstellung der Aufrechnungslage nahe (Abtretung zur Einziehung), was das BSG (Urteil v. 25.8.1961, 1 RA 233/59, BSGE 15 S. 36) für das frühere Recht für unzulässig angesehen hatte. Soweit seitens der Sozialleistungsträger sozialrechtliche oder zivilrechtliche Ansprüche gegen den Leistungsberechtigten bestehen, können diese jedoch abgetreten und dann gegen Sozialleistungsansprüche aufgerechnet werden.
Rz. 5
Eine Sonderregelung zur Verrechnung enthält § 28 Nr. 1 SGB IV für den Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge, für die die Einschränkung von § 51 nicht gilt (vgl. Komm. zu § 28 SGB IV).
2 Rechtspraxis
2.1 Verrechnungsvoraussetzungen
2.1.1 Aufrechnungslage ohne Gegenseitigkeit
Rz. 6
Die Regelung der Verrechnung knüpft daran an, dass ein Sozialleistungsträger zu einer Geldleistung an einen Sozialleistungsberechtigten verpflichtet ist und gegen den Berechtigten eine Geldforderung besteht. Hiermit wird deutlich, dass die Verrechnung auch ein Rechtsinstitut zur Erfüllung dieser Sozialleistungsansprüche in Abweichung von der Erfüllung nach § 47 darstellt. Das Rechtsinstitut der Verrechnung steht lediglich den Sozialleistungsträgern zur Verfügung; der Geldleistungsberechtigte kann seine Ansprüche gegen einen Sozialleistungsträger nicht mit gegen ihn bestehenden Forderungen eines anderen Trägers verrechnen, sondern lediglich die Zahlung an seinen Gläubiger verlangen.
Rz. 7
Da die Verrechnung lediglich ein Sonderfall der Aufrechnung ist, ist Voraussetzung das Bestehen einer Aufrechnungslage von wechselseitigen und fälligen Geldleistungsansprüchen (vgl. Komm. zu § 51). An den Aufrechnungsvoraussetzungen des § 51 darf es nur an der Gegenseitigkeit (Personenidentität) des Forderungsinhabers fehlen. Dem Sozialleistungsberechtigten muss ein Zahlungsanspruch gegenüber einem Sozialleistungsträger zustehen und gegen ihn muss eine fällige Forderung eines anderen Sozialleistungsträgers bestehen.
Rz. 8
Sowohl der leistungspflichtige als auch der anspruchsberechtigte Träger müssen eigenständige Sozialleistungsträger i.S.d. § 12 i.V.m. §§ 18ff. sein. Verschiedene Dienststellen/Abteilungen eines Sozialleistungsträgers können die Aufrechnung nach § 51 erklären. Eine insoweit irrtümlich erklärte Verrechnung lässt sich jedoch in eine Aufrechnung umdeuten. Eine Verrechnung zugunsten anderer Behörden ist auch bei öffentlich-rechtlichen Forderungen (Gebühren, Abgaben, Steuern, Bußgeldern etc.) nicht möglich. Dies dürfte auch dann gelten, wenn die Behörde funktionell zugleich auch Sozialleistungsträger ist.
2.1.2 Ermächtigung zur Verrechnung
Rz. 9
Entsprechend der Funktio...