0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist am 1.1.1976 mit dem SGB I v. 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015) mit Wirkung zum 1.1.1976 in Kraft getreten und seither nicht geändert worden.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift knüpft an kraft Gesetzes entstandene Ansprüche (§§ 38 ff.) an und enthält als allgemeinen Grundsatz die Regelung, dass Ansprüche auf Sozialleistungen nach § 11 mit dem Tode des Berechtigten erlöschen. Dass es sich um Sozialleistungen handelt muss, wird in der Vorschrift zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich jedoch aus dem Zusammenhang. Das Erlöschen der Ansprüche entspricht dem Zweck und der Funktion der Sozialleistungen als Ausgleich für eine persönliche Bedarfslage, nicht jedoch als verkehrsfähige Vermögenswerte.
Rz. 2
Für entstandene Dienst- und Sachleistungsansprüche ist das Erlöschen zwingend und ausnahmslos angeordnet. Für Geldleistungen ergibt sich aus Satz 2, dass auch diese grundsätzlich erlöschen, es sei denn diese Ansprüche sind bereits anerkannt oder es ist ein Verwaltungsverfahren darüber anhängig. Der Grundsatz des Erlöschens ist somit auf bisher unbekannte Geldansprüche beschränkt.
Rz. 3
Die Vorschrift betrifft nicht das Ende von Sozialleistungsansprüchen mit dem Tod des Berechtigten und dem dadurch wegfallenden Stammrecht an sich (vgl. z.B. § 19 Abs. 3 SGB V, § 102 Abs. 5 SGB VI), sondern knüpft an die noch zu Lebzeiten des Erblasseres entstandenen Ansprüche an und bringt diese kraft Gesetzes zum Erlöschen. Damit wird auch das Erbrecht modifiziert; denn nach allgemeinen Vorschriften des BGB würde ein bereits entstandener Anspruch übergehen. Diese Beschränkung auch des Erbrechts ist nicht verfassungswidrig (vgl. BVerfG, Beschluss v. 1.12.1965, 1 BvR 524/65, BVerfGE 19 S. 202, zur Rechtslage vor dem SGB I). Die Regelung steht unter dem Vorbehalt (§ 37) abweichender Bestimmungen, die insbesondere für den Bereich der Sozialhilfe geltend gemacht wurde (vgl. BVerwG, Urteil v. 5.5.1979, 5 C 79.77, BVerwGE 58 S. 68 = NJW 1980 S. 336), weil diese als höchstpersönlich anzusehende Ansprüche gar nicht vererblich sein sollen (vgl. Mrozynski, SGB I, 3. Aufl., § 59 Rz. 8 m.w.N. zur Kritik an dieser Auffassung). Besondere Vorschriften der einzelnen Gesetzbücher können daher auch die über den Tag des Todes hinausgehende Weiterzahlung von Geldansprüchen, auch soweit sie als Surrogate an die Stelle von Sach- oder Dienstleistungen treten, vorsehen. Nicht erfasst werden von der Vorschrift auch die Ansprüche, die erst durch den Tod entstehen.
2 Rechtspraxis
2.1 Dienst- und Sachleistungen (Satz 1)
Rz. 4
Ansprüche auf Dienstleistungen erlöschen kraft ausdrücklicher Regelung mit dem Tode des Berechtigten. Dabei betrifft § 59 Satz 1 nur die bisher nicht oder nicht vollständig erfüllten Ansprüche als Forderungsrecht auf konkrete Dienst- und Sachleistungen, die Gegenstand von sozialen Rechten nach § 11 sind. Auf konkrete Dienst- oder Sachleistungen (vgl. Komm. zu § 11) kann vor dem Tod des Berechtigten aufgrund der gesetzlichen Voraussetzungen und der entstandenen Bedarfslage ein Rechtsanspruch entstanden sein (§§ 38 ff.), der noch nicht erfüllt war.
Rz. 5
Diese im Regelfall nach § 40 entstandenen und aber noch nicht erfüllten Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen erlöschen mit dem Tod des Berechtigten. Dabei ist gerade auch nicht von Bedeutung, ob der Anspruch auf die Dienst- oder Sachleistung bereits geltend gemacht wurde oder sogar schon durch Verwaltungsakt bewilligt worden war. Ein Dienst- oder Sachleistungen bewilligender Verwaltungsakt erledigt sich nach § 39 SGB X mit dem Erlöschen der Ansprüche durch den Tod des aus dem Bescheid Berechtigten.
Rz. 6
Dieses gesetzlich angeordnete Erlöschen der Ansprüche beruht einmal auf der Tatsache, dass die Erfüllung gegenüber dem verstorbenen Berechtigten objektiv nicht mehr möglich ist und seinen Zweck verfehlen würde. Darüber hinaus besagt dies aber auch, dass sich der nicht erfüllte Sach- oder Dienstleistungsanspruch bei Tod des Berechtigten nicht automatisch in einen auf Geld- oder Wertersatz gerichteten Ersatzanspruch umwandelt.
Rz. 7
Dies hat für ein über den Dienst- oder Sachleistungsanspruch anhängiges Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren insoweit Bedeutung, als sich mit dem Tod des Berechtigten dieses Verfahren erledigt, weil der geltend gemachte Anspruch auch für die zurückliegende Zeit erlischt (BSG, Urteil v. 10.10.1978, 3 RK 11/78, USK 78126).
Rz. 8
Soweit Dienst- oder Sachleistungen, auf die ein Anspruch bestanden hatte, nicht oder nicht rechtzeitig vor dem Tod des Berechtigten erbracht worden waren und sich der Berechtigte diese Leistungen deswegen selbst beschafft hatte, kann zugleich mit den Streit über die Sachleistung auch ein Verfahren wegen eines Kostenerstattungsanspruchs anhängig sein. Soweit ein Ausgleichs- oder Erstattungsanspruch bestehen und geltend gemacht ist, ist dieser dann als auf eine Geldleistung gerichtet nach Satz 2 zu beurteilen ist.
2.2 Geldansprüche (Satz 2)
Rz. 9
Auch Satz 2 geht davon aus, dass auch die auf eine Geldleistung gerichteten Sozialleistungsansprüche grundsätzlich mit dem Tod erlöschen (so auch Benz, WzS 1993 S. 272, 274). Nu...