Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitnehmer, der sich mit einer Klage gegen einen aufgrund von § 18 KSchG ergangenen Verwaltungsakt der Bundesagentur für Arbeit wendet, ist kein Versicherter iS des § 183 SGG.
2. Die Regelungen in §§ 17ff KSchG verfolgen primär einen arbeitsmarktpolitischen Zweck und dienen nicht dem Individualinteresse des von einer Kündigung bedrohten Arbeitnehmers; dieser wird davon nur mittelbar betroffen (vgl BAG vom 23.3.2005 - 3 AZR 343/05 = NJW 2006, 3161). Der Arbeitnehmer ist daher nicht berechtigt, gerichtlich gegen Entscheidungen der Bundesagentur nach § 18 KSchG vorzugehen.
3. Beigeladene, die nicht zum Kreis der nach § 183 SGG kostenrechtlich Privilegierten gehören, können eine Erstattung ihrer außergerichtlichen Aufwendungen erhalten.
Tenor
Die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden dem Kläger auferlegt.
Der Streitwert für das Klage- und Berufungsverfahren wird auf je 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beigeladene - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) - erstattete im Dezember 2004 der Beklagten eine Entlassungsanzeige nach § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Die von den Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer, darunter der Kläger, waren in der Anlage 1 der Entlassungsanzeige aufgeführt. Die Beigeladene begründete die geplanten Entlassungen mit der Fremdvergabe von bisher in Eigenregie erbrachten Leistungen. Der am 27.01.1961 geborene Kläger war damals als Mitarbeiter im Hol- und Bringedienst bei der Beigeladenen beschäftigt. Mit einem an die Beigeladene gerichteten und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 18.05.2005 (Bl. 78 der Verwaltungsakte der Beklagten) teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, welche Entscheidung sie nach Prüfung der Entlassungsanzeige getroffen hat.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 08.06.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 27.01.2005 sei davon auszugehen, dass die Regularien der Massenentlassung zumindest auch im Interesse des zu kündigenden Arbeitnehmers zu beachten seien. Daraus ergebe sich ein Rechtsschutzinteresse der Betroffenen und insbesondere die Befugnis, soweit die Verwaltungsakte der Beklagten eine Drittbelastung zu Lasten der Betroffenen beinhalte, Rechtsmittel einzulegen. Gegen den Bescheid vom 18.05.2005 oder gegen jeden anderen Bescheid, der eine Freifrist für seine Entlassung feststelle, lege er deshalb Widerspruch ein. Die Widerspruchsstelle der Beklagten verwarf den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2005 als unzulässig. Mit der angefochtenen Entscheidung seien Rechte des Klägers weder begründet noch geändert, entzogen oder festgestellt worden. Der Bescheid sei gegenüber der Beigeladenen ergangen.
Am 12.08.2005 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 18.05.2005 sowie den Widerspruchsbescheid vom 11.07.2005 aufzuheben und festzustellen, dass die Massenentlassungsanzeige der Beigeladenen unwirksam war (Schriftsatz vom 10.08.2005). Die Beiladung der Arbeitgeberin ist mit Beschluss des SG vom 07.10.2005 erfolgt. Die Beigeladene hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.10.2005 den Antrag gestellt, die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 26.01.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG dargelegt, die Klage sei bereits unzulässig. Der Bescheid vom 18.05.2005 regele im Wesentlichen die Entlassungssperre für 20 Arbeitnehmer der Beigeladenen. Die Entscheidung berühre jedoch keine eigene anerkannte und geschützte Rechtsposition der Arbeitnehmer. Weder aus dem nationalen Recht noch aus der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.07.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. Nr. 225/16 vom 12.08.1998, im Folgenden MERL) ergebe sich eine Rechtsposition für den Kläger, in die mit dem angefochtenen Bescheid hätte eingegriffen werden können. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15.02.2006 zugestellt worden.
Am 07.03.2006 hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, gegenüber den vom SG zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) habe sich die Rechtslage durch die MERL und die hierzu ergangenen Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), zuletzt mit Urteil vom 27.01.2005, grundlegend geändert. Die gemeinschaftskonforme Auslegung der §§ 17ff KSchG lasse nur das Ergebnis zu, dass die gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer geschaffen worden seien.
Die Beklagte und die Beigeladene sind dem Berufungsbegehren des Klägers entgegen getreten und haben beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 22.06.2006 hat der Kläger mitgeteilt, dass seiner Kündigungsschutzklage bestandskräftig stattgegeben worden sei. Die Hauptsache des vorliegenden Rechtsstreits habe sich somit erledigt. Er...