Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfrageverfahren. Gesellschafter-Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft. sozialversicherungsrechtlicher Status. keine Heranziehung der für das Arbeitsförderungsrecht entwickelten "Kopf und Seele"-Rechtsprechung bei der Statusbeurteilung nach BSG-Urteil vom 29.7.2015. B 12 KR 23/13 R. kein Vertrauensschutz für Zeit vor der Entscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass nach dem Urteil des BSG vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R = BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, die sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung im Rahmen von Statusbeurteilungen keine Bedeutung hat, begründet für die Zeit vor dieser Entscheidung des BSG keinen Vertrauensschutz.

 

Normenkette

SGB IV § 7a Abs. 1 S. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1 S. 1; StBerG §§ 33, 57 Abs. 3; BGB § 181; SGG § 101 Abs. 2, § 124 Abs. 2, § 153 Abs. 4

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.03.2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel seiner außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 09.02.2016 (streitiger Zeitraum) und in Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung sowie das Recht der Arbeitsförderung.

Der 1967 geborene Kläger ist einer von zwischenzeitlich sechs Gesellschaftern der Beigeladenen, die alle zu einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit sind.

Die Beigeladene ist eine in Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) geführte Steuerberatungsgesellschaft. Sämtliche Geschäftsführer sind Steuerberater, der Kläger zusätzlich nach eigenen Angaben (erstmals im Berufungsverfahren) der einzige Wirtschaftsprüfer. Das Stammkapital der im Jahre 1997 gegründeten Beigeladenen wurde im Jahr 2009 auf 160.000 € erhöht (§ 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages). Nach § 8 des Gesellschaftsvertrages (in der noch immer geltenden ursprünglichen Fassung) bedürfen die Geschäftsführer zu im Einzelnen aufgeführten Rechtsgeschäften (u.a. in Bezug auf Grundstücke, Zweigniederlassungen, Anstellungsverträge mit Jahresgehalt von mehr als 30.000 DM, Krediten mit einem Volumen von im Einzelfall mehr als 20.000 DM oder sonstigen Verträgen mit solchem Volumen) der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Nach § 12 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages (Fassung von April 2004) werden Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit das Gesetz oder der Vertrag nicht eine andere Mehrheit vorschreibt. Je angefangene 500 € eines Geschäftsanteiles geben eine Stimme. Hinsichtlich des Inhalts des Gesellschaftsvertrages, von den Gesellschaftern als Satzung bezeichnet, wird auf Bl. 32 ff. VA Bezug genommen. Am 28.01.2016 haben die Gesellschafter einstimmig beschlossen, § 12 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages dahingehend zu ändern, dass Beschlüsse der Gesellschaft durch einstimmigen Beschluss aller Gesellschafter gefasst werden, sofern das Gesetz oder diese Satzung nicht eine andere Mehrheit vorschreibt. Je ein Euro eines Geschäftsanteiles gewährt eine Stimme. Diese Änderung ist am 09.02.2016 in das Handelsregister eingetragen worden.

Am 14.01.2011 übertrug der Kläger, der bis dahin Geschäftsanteile am Stammkapital der Beigeladenen im Umfang von insgesamt 40.000 € hielt (= 25 %), Anteile im Umfang von 3.200 € an einen eintretenden Mitgesellschafter, so dass sich seine Anteile am Stammkapital der Beigeladenen seither auf 36.800 € (= 23 %) belaufen.

Bereits Ende 2008 hatten sich die damaligen vier Gesellschafter, darunter der Kläger, geeinigt, entgegen der Satzung sämtliche Beschlüsse unter den Gesellschaftern einstimmig zu fassen. Dies sollte so lange gelten, bis die Gesellschafterstruktur mit den künftig aufzunehmenden Gesellschaftern endgültig steht und die Satzung in Bezug auf die Stimmrechtsmehrheiten geändert wird. Sie vereinbarten auch in Bezug auf neu aufzunehmende Gesellschafter eine aus diesen Personen bestehende “Stimmen-Gemeinschaft„, auch um so wechselnde Mehrheiten mit künftigen kleineren Gesellschaftern zu vermeiden. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf Bl. 130/131 VA Bezug genommen. Hiermit übereinstimmend beschlossen diese vier Gesellschafter im Januar 2009, dass die Beschlüsse der Gesellschaft eine Mehrheit von 100 % der anwesenden Stimmen erforderten (vgl. Bl. 29 VA). Am 27.01.2011 erging ein ähnlicher Beschluss der nunmehr sechs Gesellschafter, wonach Beschlüsse der Gesellschaft eine Mehrheit von 92 % der anwesenden Stimmen erforderten (vgl. Bl. 28 VA) und im Februar 2014 wurde dies dahingehend geändert, dass nun eine Mehrheit von 90 % der anwesenden Stimmen erforderlich war (vgl. Bl. 27 VA). Keiner dieser Beschlüsse wurde im Rahmen einer Änderung des Gesellschaftsvertrages umgesetzt und auch nicht im Handelsregister eingetragen, ...

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