Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütungsregelung zwischen Krankenkasse und einem Verband nichtärztlicher Leistungserbringer. routinemäßige Abwicklung zahlreicher Pflegedienstleistungen. Auslegung nach Wortlaut bzw systematischem Zusammenhang. Vertragspartner. Beseitigung von Bewertungsunstimmigkeiten und sonstigen Ungereimtheiten. Häusliche Krankenpflege. Rechtsschutzbedürfnis. Preisvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Vergütungsregelungen zwischen einer Krankenkasse und einem Verband nichtärztlicher Leistungserbringer, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Pflegedienstleistungen (hier: Wundversorgung im Rahmen häuslicher Krankenpflege) vorgesehen sind, sind stets eng nach ihrem Wortlaut, ergänzend noch nach dem systematischen Zusammenhang auszulegen (vgl BSG vom 13.12.2001 - B 3 KR 1/01 R = SozR 3-5565 § 14 Nr 2).

 

Orientierungssatz

Soweit es sich in der Praxis erweist, dass es zu Bewertungsunstimmigkeiten und sonstigen Ungereimtheiten kommt, ist es Aufgabe der Vertragspartner, die dafür zuständig sind, dies durch Einigung und gegebenenfalls durch Weiterentwicklung der Abrechnungsbestimmungen zu beheben.

 

Normenkette

SGB V § 132a Abs. 2 Sätze 1, 6, § 37

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 03.02.2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Höhe der Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

Die Klägerin erbringt Leistungen der häuslichen Krankenpflege und ist Mitglied des Caritasverbandes der Erzdiözese F. eV. Sie ist dem Rahmenvertrag zwischen dem Caritasverband und dem Verband der beklagten Krankenkasse nach § 132a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, Haushaltshilfe und häuslicher Pflegehilfe (im Folgenden: RV) durch schriftliche Erklärung beigetreten.

Die Versicherte der Beklagten, E. R. (im Folgenden: Versicherte), litt an Lungenkrebs im Stadium IV mit multipler Metastasierung. Ihr Arzt verordnete häusliche Krankenpflege in Form von “Anlegen und Wechseln von Wundverbänden„ am Thorakostoma. Auf Grundlage der Verordnung vom 24.09.2010 erbrachte die Klägerin im Zeitraum vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 insgesamt 56 Wundversorgungen. Mit Schreiben vom 10.11.2010 erklärte die Beklagte die Kostenübernahme der Wundversorgungen “in Höhe der vertraglich vereinbarten Sätze„. Auf den Antrag der Klägerin, “aufwendige Wundbehandlungen„ festzustellen, unterbreitete die Beklagte der Klägerin das Angebot, statt des vertraglich vereinbarten Betrags 20,00 € pro Wundversorgung zu zahlen. Die Klägerin lehnte dies ab und machte 36,33 € als Einzelpreis geltend (Rechnungen vom 14.02.2011). Die Beklagte zahlte sodann 16,27 € pro Wundversorgung (Leistungsgruppe III der Preisvereinbarung gültig vom 01.02.2010 bis 31.12.2010).

Am 11.03.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden gehöre zwar grundsätzlich zur Leistungsgruppe III. Da es sich jedoch um ungewöhnlich aufwendige Wundversorgungen gehandelt habe, müsse eine Vergütung nach der Leistungsgruppe IV erfolgen. Der Fall einer aufwendigen Wundversorgung werde von der Leistungsgruppe IV erfasst. Dies sei auch schon vor dem 01.01.2011 gängige und ständige Verwaltungspraxis gewesen. Mit der AOK sei in solchen Fällen eine Vergütung von 54,50 € pro Stunde vereinbart gewesen. Bei einem Zeitaufwand von 40 min, der im Fall der Versicherten der Beklagten entstanden sei, ergebe sich der geforderte Betrag in Höhe von 36,33 €. Ziel der Klage sei es, die mit der AOK getroffenen Absprachen zu vereinheitlichen.

Mit Urteil vom 03.02.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es könne nicht durch das Gericht festgestellt werden, ob es sich bei den erbrachten Wundverbänden um Leistungen der Leistungsgruppe IV handele. Denn der Vertrag nach § 132a SGB V unterliege der Ausgestaltung der Vertragsparteien. Das Gericht könne keine Vorgaben hinsichtlich des Vertragsinhalts machen. Die Vertragsparteien hätten es einer konkret zu treffenden Vereinbarung im Einzelfall vor Ort überlassen, welche Tätigkeit der Leistungsgruppe IV unterliege. Könne eine Einigung über die Zuordnung einer Leistung und ihrer Vergütung nicht erzielt werden, müsse im jeweiligen Einzelfall eine Schiedsperson bestimmt werden, die den Inhalt der Einzelfallvereinbarung festlege.

Am 28.02.2012 hat die Klägerin beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Auslegung der Vertragsbestimmungen obliege den Gerichten. Hierbei sei die geübte Verwaltungspraxis zu berücksichtigen. Es sei nicht maßgeblich, ob eine ausdrückliche schriftliche Regelung existiere, solange eine geübte Verwaltungspraxis gegeben sei. Die Zuordnung der Wundversorgung zu einer Leistungsgruppe müsse das Gericht ggf im Wege einer Beweisaufnahme klären. Bei Nichteinigung über eine Vergütung könne das Gericht im Rahmen der Au...

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