Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben aus der gesetzlichen Rentenversicherung. kein Kostenerstattungsanspruch für eine selbstbeschaffte Maßnahme bei nicht erfüllten Eingangsvoraussetzungen. Unvereinbarkeit der körperlichen Einschränkungen mit dem Leistungsbild der angestrebten Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte LTA-Maßnahme kommt nicht in Betracht, wenn die Eingangsvoraussetzungen für die Maßnahme nicht erfüllt sind. Sind körperliche Einschränkungen mit dem Leistungsbild der angestrebten Tätigkeit nicht vereinbar, steht dies dem Ziel einer möglichst dauerhaften Wiedereingliederung i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI entgegen (zu den gesundheitlichen Anforderungen für betreuende, erziehende und bildende Tätigkeiten in einer Kita).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.11.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für eine selbstbeschaffte berufliche Weiterbildung nebst Fahrtkosten.
Der 1962 geborene Kläger absolvierte von August 1981 bis Dezember 1985 eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Heilerziehungspflegehelfer (S. 55 SG-Akte und Bl. 339 VerwA) und von November 1988 bis September 1991 zum staatlich geprüften Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten (S. 55 SG-Akte und Bl. 342 VerwA; Berufsbezeichnung seit 01.01.1999: Ergotherapeut, s. § 1 bzw. § 1 Abs. 1 Ergotherapeutengesetz in der seither geltenden Fassung); im Jahr 2009 durchlief er zudem eine Fortbildung zum Betreuungsassistenten bzw. Alltagsbegleiter (vgl. S. 55 SG-Akte und Bl. V Rs. VerwA). Seinen eigenen Angaben nach (vgl. S. 54 f. SG-Akte, Bl. V Rs. VerwA) war er von November 1991 - mit Unterbrechungen (u.a. durch eine Erziehungszeit mit freiberuflicher Tätigkeit als Musiker sowie eine Tätigkeit als Museumsaufsicht) - bis Dezember 2010 als Ergotherapeut beschäftigt und sodann bis April 2017 als Alltagsbegleiter und Pflegehelfer in der stationären Altenpflege.
Von Ende März bis Ende April 2016 nahm der Kläger auf Kosten der Beklagten nach dem Einsetzen einer Knietotalendoprothese (Knie-TEP) rechts an einer ambulanten Anschlussheilbehandlung im Zentrum für ambulante Rehabilitation T1 (ZAR) teil, aus der er ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts vom 02.05.2016 (Bl. 9 ff. VerwA) mit einer verbliebenen Beweglichkeitseinschränkung bei Gonarthrose und noch arbeitsunfähig entlassen wurde. Die Reha-Ärzte erachteten eine berufliche Tätigkeit als Pflegehelfer/Alltagsbetreuer nur noch im Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich für leidensgerecht. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könne der Kläger noch mehr als sechs Stunden arbeitstäglich verrichten, wobei ein Heben/Tragen von Lasten über 15 kg, kniende und hockende Arbeiten sowie Arbeiten auf unebenem Gelände, auf rutschigem Untergrund und auf Leitern und Gerüsten nicht mehr leidensgerecht seien.
Am 26.05.2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA), die ihm mit Bescheid vom 31.10.2016 auf der Grundlage der sozialmedizinischen Stellungnahme der Beratungsärztin F1 vom 26.10.2016 (Bestätigung der zeitlichen Leistungsbeurteilung der Ärzte des ZAR, weitere qualitative Einschränkungen: nur leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, kein häufiges Bücken, keine Zwangshaltungen/Überkopfarbeiten, kein häufiges Treppensteigen, kein Zeitdruck, keine besondere Stressbelastung, keine Arbeiten unter Nässe, Kälte, Hitze, Zugluft, Temperaturschwankungen sowie unter Exposition atemwegsbelastender Stoffe) „dem Grunde nach“ bewilligt wurden. Nach Berichten der Reha-Beraterin gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 06.02.2017 als LTA eine sog. BPF-Reintegrationsmaßnahme („Beruf Praxis Fortbildung“) bei der BBQ berufliche Bildung gGmbH für die Dauer von sechs Monaten, die sie mit Bescheid vom 17.11.2017 bis 14.01.2018 verlängerte. Der Kläger durchlief diese Maßnahme erfolgreich und absolvierte währenddessen Praktika, u.a. in einem Kinderhaus (Waldschule-B1) der Stadt T1 (Bl. 322 VerwA).
Im Anschluss an die Maßnahme nahm der Kläger Anfang Februar 2018 bei der Stadt T1 eine Beschäftigung in der Tätigkeit einer Fachkraft (s. Zeugnis Bl. 323 f. VerwA) im Kinderhaus W1 auf, wo er in der Ganztagesgruppe für Kinder von drei bis sechs Jahren eingesetzt war (a.a.O.), die Ende Juli 2018 beendet wurde. Zur Begründung verwies der Kläger (Bl. 245 f. VerwA) u.a. auf ein „nicht ausreichendes Konzept zur Integration von Quereinsteigern“, auf „Mißverständnisse“, „Probleme im Teamfindungsprozess“ und auf private Belastungen (Pflegebedürftigkeit seiner Eltern).
Der Kläger meldete sich bei der Bundesagentur für Arbeit (BA), Agentur für Arbeit R1 (AfA), arbeitslos (bei fortbestehender Pflege und Betreuung der Eltern; die Mutter starb Mitte März 2019) und bezog in Folge nach einer einwöchigen Sperrzeit...