Entscheidungsstichwort (Thema)
(Krankenversicherung der Rentner. Wohnsitz in der Schweiz. Zuschuss zur obligatorischen Krankenversicherung nach dem Schweizerischen Krankenversicherungsgesetz. Verpflichtung zum Nachweis eines Krankenversicherungsschutzes in der Schweiz. keine Pflichtversicherung iS von § 106 Abs 1 SGB 6. europarechtskonforme Auslegung. Arbeitnehmerfreizügigkeit. Antrag. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Beratungspflicht. Zinsen
Orientierungssatz
1. § 106 Abs 1 S 1 SGB 6 in seiner zweiten Alternative (“bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt„) ist dahingehend europarechtskonform auszulegen, dass hierunter auch Krankenversicherungsunternehmen, die der Aufsicht eines anderen EU-Mitgliedsstaates oder der Schweiz unterliegen, fallen, wenn zur Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge die deutsche Rente nicht herangezogen wird. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Pflichtkrankenversicherung, für die kein Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses nach § 106 SGB 6 besteht, bei einer ausländischen Krankenversicherung im Geltungsbereich der Verordnungen EWGV 1408/71 bzw EGV 883/2007 nur vorliegt, wenn der Abschluss der Krankenversicherung gesetzlich vorgeschrieben ist und die Beiträge zu dieser Versicherung kraft Gesetzes auch aus der deutschen Rente erhoben werden.
2. Sind demnach die Voraussetzungen des § 249a SGB 5 nicht erfüllt und entstehen dem Bezieher einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung für seinen Krankenversicherungsschutz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bzw der Schweiz Kosten, dann hat sich der deutsche Rentenversicherungsträger über eine entsprechende Anwendung des § 106 Abs 1 S SGB 6 an diesen Kosten zu beteiligen.
3. Dem Anspruch auf einen Zuschuss zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung steht S 2 des § 106 Abs 1 SGB 6 in der ab 1.5.2007 gültigen Fassung nicht entgegen.
Normenkette
SGB VI § 106 Abs. 1, §§ 99, 108, 115 Abs. 6; SGB V § 249a; VO (EWG) 1408/71 Art. 10 Abs. 1; SGB I §§ 14, 30 Abs. 2, § 44; SGB X § 44 Abs. 4 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.07.2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung des Klägers.
Der 1935 geborene Kläger war von 1951 bis 1954 in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Seit 1974 ist er schweizerischer Staatsangehöriger. Er lebt in der Schweiz und bezieht eine Altersrente nach schweizerischem Recht. Am 10.02.2000 beantragte er bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg, Rechtvorgängerin der Beklagten, die Gewährung einer Regelaltersrente. Mit Rentenbescheid vom 31.01.2001 bewilligte die LVA eine monatliche Altersrente in Höhe von 67,86 DM ab dem 01.01.2001. Die Voraussetzungen der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) erfüllt der Kläger nicht.
Seit 1999 ist der Kläger bei dem schweizerischen Krankenversicherungsunternehmen “G. M.„, das der schweizerischen Aufsicht unterliegt, auf der Basis einer “obligatorischen Krankenpflegeversicherung„ in Bezug auf ambulante Arztbehandlungen, stationäre Krankenhausbehandlungen, Arzneimittel, Heilmittel und zahnärztliche Behandlungen sowie Zahnersatz versichert. Daneben besteht bei demselben Unternehmen eine freiwillige Zusatzversicherung in Bezug auf weitere Risiken im Krankheitsfall.
Am 17.08.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines Zuschusses zu seiner Krankenversicherung ab Beginn seiner Altersrente nebst gesetzlicher Verzinsung. Zur Begründung gab der Kläger an, jedenfalls vor der Gesetzesänderung zum 01.05.2007 habe ein Anspruch auf Zuschuss zu seiner schweizerischen Krankenversicherung bestanden. Aufgrund der geltenden Besitzstandsregelung gelte der Anspruch auch über dieses Datum hinaus fort. Ein früherer formeller Antrag sei nicht gestellt worden, da es die LVA verpasst habe, ihm im Rahmen des Rentenverfahrens das entsprechende Formular zugänglich zu machen. Er habe davon ausgehen müssen, dass die ihm übersandten Formulare vollständig sind. Mit Bescheid vom 28.08.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger unterliege als Bezieher einer Rente aus schweizerischer Rentenversicherung der obligatorischen Krankenversicherungspflicht nach schweizerischem Recht. Damit sei ein Anspruch auf Zuschuss zu den Aufwendungen ausgeschlossen. Den hiergegen am 05.10.2009 eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2010 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach dem ab dem 01.05.2007 geltenden Recht, sei kein Zuschuss zu gewähren, da die schweizerische Krankenversicherung des Klägers als Pflichtversicherung zu werten sei. Auch im Zeitpunkt des Rentenbeginns habe keine Möglichkeit zur Zahlung eines Beitragszuschusses bestanden, da nach de...