Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung der Rentner. Wohnsitz in der Schweiz. Bezieher einer deutschen Rente. Zuschuss zur obligatorischen Krankenversicherung nach dem Schweizerischen Krankenversicherungsgesetz (KVG). europarechtskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
In der Schweiz lebende Bezieher deutscher Renten haben Anspruch auf einen Zuschuss zu den Kosten der nach schweizerischem Recht obligatorischen Krankenpflegeversicherung.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 27.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.08.2012 verurteilt, der Klägerin ab Antragstellung am 30.01.2012 ein Beitragszuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung in der Schweiz unter Berücksichtigung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung des Beitragszuschusses zu den seit dem 30.01.2012 für die Krankenversicherung der Klägerin angefallenen Aufwendungen.
Der am 17.12.2010 verstorbene Ehemann der Klägerin bezog seit dem 01.08.1992 von der Beklagten eine Altersrente. Der Klägerin gewährt die Beklagte seit dem 01.01.2011 eine Witwenrente aus der Versicherung ihres Ehemanns.
Am 30.01.2012 beantragte die Klägerin die Gewährung eines Beitragszuschusses zur Krankenversicherung und legte die Versicherungspolice 2012 der ... Krankenversicherung vor.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27.02.2012 und führt aus, aufgrund der in der Schweiz bestehenden gesetzlichen Krankenversicherungspflicht sei ein Anspruch auf Zuschuss zu den Krankenversicherungsaufwendungen ausgeschlossen. Dies gelte auch für eine eventuell bestehende freiwillige oder private Zusatzversicherung.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 14.03.2012 und verwies auf mehrere sozialgerichtliche Entscheidungen unter anderen der erkennenden Kammer, denen zufolge das Krankenversicherungsobligatorium um nach schweizerischem Recht der Gewährung eines Beitragszuschusses nach § 106 SGB Sechstes Buch (SGB VI) nicht entgegenstehe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die von der Klägerin zitierten Entscheidungen berücksichtigten nicht die wesentlichen Merkmale der Pflichtversicherung nach dem schweizerischen Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG). Dies seien insbesondere die Prinzipien Versicherungspflicht, Solidarität, Wahlfreiheit und garantierter Zugang zu den Leistungen. Deswegen seien hinsichtlich der zitierten sozialgerichtlichen Urteile Berufungs- und Revisionsverfahren anhängig. Auch treffe es nicht zu, dass, wie dort ausgeführt, die Qualifikation als Pflichtversicherungsverhältnis einen Beitragszuschuss nicht ausschließe. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 106 Abs. 1 SGB VI könne ein Anspruch auf Beitragszuschuss ausschließlich für eine freiwillige oder private Krankenversicherung entstehen und sei damit für eine Pflichtversicherung völlig ausgeschlossen.
Am 06.09.2012 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Sie trägt vor, aus ihrer Sicht stelle die schweizerische Krankenpflegeversicherung keine Pflichtversicherung dar. Diese Rechtsauffassung sei durch zwei obergerichtliche und vier sozialgerichtliche Entscheidungen bestätigt und hinreichend begründet worden. Die Anträge der Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung aus diesen Entscheidungen seien jeweils abgelehnt worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.08.2012 zu verurteilen, ihr ab Antragstellung am 30.01.2012 einen Beitragszuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung in der Schweiz unter Berücksichtigung der Kosten der obligatorischen freiwilligen Krankenversicherung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertieft ihre Ausführungen aus dem angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtene Ablehnungsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin hat Anspruch auf den begehrten Zuschuss zu ihren Aufwendungen für die Krankenversicherung. Dabei hatte die Kammer aufgrund des eingeschränkten Klageantrags nicht zu befinden, inwieweit ihr dieser ggf. auch rückwirkend (§§ 108, 99 Abs. 2 SGB VI) für die Zeit vor der am 30.01.2012 erfolgten Antragstellung zustand.
Der Anspruch auf Beitragszuschuss ergibt sich aus § 106 SGB VI. Danach erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die K...