Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachversicherung. verspätete Beitragsentrichtung. Erhebung von Säumniszuschlägen vom Nachversicherungsschuldner bei Organisationsverschulden. Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens iS von § 25 Abs 1 S 2 SGB 4. 30jährige Verjährungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Säumniszuschläge sind auf verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge zu zahlen, wenn den Nachversicherungspflichtigen ein Organisationsverschulden trifft. Dies ist der Fall, wenn die Nachversicherungspflicht geprüft wird und die Akte während des Verwaltungsverfahrens auf nicht nachvollziehbare Weise über Jahre unbearbeitet bleibt.

2. Dieses Organisationsverschulden steht der kurzen Verjährung nach § 25 Abs 1 S 1 SGB 4 entgegen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.04.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Tatbestand

Im Streit stehen Säumniszuschläge in Höhe von 10.491,44 €.

Der 1967 geborene Versicherte K. Sch. (im Folgenden: S.) stand seit dem 01.10.1994 als Rechtsreferendar im Beamtenverhältnis auf Widerruf im Dienst des Klägers und schied nach erfolgreicher Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung mit Ablauf des 04.11.1996 aus dem Beamtenverhältnis ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus.

Der Kläger forderte S. mit Schreiben vom 22.11.1996 auf, sich zur Durchführung der Nachversicherung zu erklären. S. antwortete auf das Schreiben nicht. In der Folge wurden noch ein Schreiben des S. vom 06.12.1996 zu den Akten genommen, in dem er um eine Bescheinigung für das Arbeitsamt bat sowie eine Annahmeverfügung vom 09.12.1996 für 201,07 DM überzahlte Bezüge, ferner Übersichten von Gehaltskonten für die Jahre 1996, 1997 und 1998. Obwohl auf dem Schreiben vom 22.11.1996 die Wiedervorlage auf den 22.01.1997 verfügt war, wurde der Vorgang bei dem Kläger in der Folgezeit nicht weiter verfolgt, vielmehr wurde die Akte im Archiv verwahrt, wo sie wieder aufgefunden wurde, nachdem S. mit Schreiben vom 21.03.2010 bei dem Kläger um Nachversicherung für den Zeitraum vom 01.10.1994 bis zum 04.11.1996 bat. Im Rahmen der darauf erfolgten Überprüfung stellte sich heraus, dass eine Nachversicherung nicht erfolgt war. Der Kläger führte daraufhin die Nachversicherung am 12.04.2010 durch. Mit Wertstellung vom 14.04.2010 sind die Nachversicherungsbeiträge i.H.v. 7.497,57 € bei der Beklagten eingegangen.

Mit Anhörungsschreiben vom 28.09.2010 teilte die Beklagte dem Landesamt mit, dass sie wegen verspäteter Zahlung der Nachversicherungsbeiträge beabsichtige, einen Säumniszuschlag i.H.v. 10.491,44 € zu erheben. Gemäß § 184 Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.V. m. § 24 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ergebe sich unter Zugrundelegung eines Eintritts der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge am 05.11.1996, des Beginns der Säumnis am 05.02.1997 und der Wertstellung vom 14.04.2010 eine Säumnis von 159 Monaten. Der Säumniszuschlag i.H.v. 10.491,44 € errechne sich durch Vervielfältigung der auf 50,00 € abgerundeten Nachversicherungsschuld i.H.v. 12.915,60 DM zu Beginn der Säumnis am 05.02.1997 mit der Anzahl der Säumnismonate und 1 %. Der Kläger äußerte sich hierzu nicht. Mit Bescheid vom 18.01.2011 forderte die Beklagte sodann einen Säumniszuschlag i.H.v. 10.491,44 €.

Am 03.02.2011 hat der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Forderung sei verjährt. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, wonach Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, verjähren, sei nicht einschlägig. Die Nachversicherungsbeiträge seien nicht vorsätzlich vorenthalten worden. Zum Vorsatz gehöre das “Wissen und Wollen" der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) würden Beiträge vorsätzlich vorenthalten, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Beitragspflicht bewusst und gewollt keine Beiträge an den Versicherungsträger abführe. Erforderlich sei insoweit zwar nicht die Absicht zur Hinterziehung von Beiträgen, allerdings müsse ein gewisses voluntatives Element vorhanden sein. Ausgehend hiervon liege kein Vorsatz vor. Aus dem Umstand, dass die Nachversicherung bei S. zunächst unterblieben sei, könne nicht gefolgert werden, dass der Kläger die Nachversicherungsbeiträge vorsätzlich nicht abgeführt habe. Es liege auch kein Organisationsverschulden ihrerseits vor. Insoweit werde auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 16.11.2007 (L 4 R 2218/05) verwiesen, worin die genannten Vorkehrungen ausführlich erläutert und für ausreichend erachtet worden seien. Dass hingegen trotz dieser zahlreichen organisatorischen Maßnahmen Fehler passieren könnten, könne - da letztlich hinter einer Bearbeitung immer auch Menschen stünden - niemals vollständig ausgeschlossen werden. Allerdings rechtfertigt...

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