Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze durch Sonderzahlungen. vorausschauende Betrachtungsweise

 

Orientierungssatz

Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung eine geringfügige Beschäftigung ist oder nicht und damit wie der Arbeitgeber diese gegenüber dem Sozialversicherungsträger anzumelden hat, ist auf eine vorausschauende Betrachtung durch den Arbeitgeber abzustellen. Bei dieser vorausschauenden Betrachtung ist nicht nur der zu erwartende zeitliche Arbeitsaufwand, sondern auch das zu erwartende Arbeitsentgelt zu berücksichtigen (vgl BSG vom 28.2.1984 - 12 RK 21/83 = SozR 2100 § 8 Nr 4).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.03.2007; Aktenzeichen B 12 KR 100/06 B)

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen (in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG), das sich mit der Entwicklung und Herstellung von Dampfventilen und deren Verwendung in komplexen Regelungskreisen beschäftigt.

Bei der Klägerin ist die Beigeladene Ziffer 1 beschäftigt. Im August 1998 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Die Prüfung betraf den Zeitraum 1994 bis 1997. Mit Bescheid vom 13. August 1998 stellte die Beklagte fest, dass Beiträge in Höhe von 52.849,84 DM nachzuentrichten seien. Die Nachforderung entfiel auf zahlreiche bei der Klägerin beschäftigte Arbeitnehmer. Der Widerspruch der Klägerin wurde seinerzeit durch Widerspruchsbescheid vom 17. März 1999 zurückgewiesen, im sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Heilbronn (S 2 KR 934/99) wurde der Rechtsstreit durch Teilanerkenntnisse der Beklagten und Teilrücknahmen durch die Klägerin erledigt.

Im März/April 2002 führte die Beklagte erneut eine Betriebsprüfung durch, der Prüfzeitraum umfasste die Jahre 1998 bis 2001. Mit einem ersten Teilbescheid vom 29. April 2002 stellte die Beklagte erneut fest, dass ihrer Ansicht nach in zahlreichen Fällen die Beiträge der betroffenen Arbeitnehmer zur Gesamtsozialversicherung unzutreffend zu niedrig angesetzt worden seien und deshalb Nachzahlungen in Höhe von insgesamt 42.730,17 Euro zu entrichten seien. Die Beitragssumme enthielt Säumniszuschläge in Höhe von 4.749,61 Euro.

Hinsichtlich der Beigeladenen Ziffer 1 hat die Beklagte konkret geltend gemacht, diese habe zusätzlich zu ihrem Lohn noch eine Sonderzahlung in Form von Weihnachts- und Urlaubsgeld erhalten. Durch die Berücksichtigung dieser Sonderzahlungen sei jedoch die Entgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften - SGB IV überschritten worden. Bei Umrechnung der Sonderzahlungen auf den monatlichen Lohn sei das Gehalt über der Grenze, jenseits derer eine geringfügige Beschäftigung nicht mehr angenommen werden könne, gelegen. Das Beschäftigungsverhältnis sei deshalb beitragspflichtig. Die Beiträge seien mit insgesamt 4.814,32 Euro zu beziffern. Ihre Forderungen verringerten sich wegen der Verrechnung für die Zeit vom 1. April 1999 bis 31. Dezember 1999 sowie für die Jahre 2000 und 2001 bereits bezahlter Pauschalbeiträge (aus geringfügiger Beschäftigung) in Höhe von 663,65 Euro (1999), 862,75 Euro (2000) und 907,75 Euro (2001) (auf damit insgesamt nur noch 2.380,17 Euro). Hinzu kämen Säumniszuschläge.

Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. November 2003).

Hiergegen hat die Klägerin am 17. Dezember 2003 Klage vor dem SG Heilbronn erhoben (Az. S 9 KR 3559/03).

Mit Beschluss vom 17. März 2004 hat das SG einzelne Klageteile zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt, soweit verschiedene Arbeitnehmer betroffen waren (Fortführung des Verfahrens hier unter dem Az. S 9 KR 796/04).

Zur Begründung der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, zum einen sei im Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 26. Februar 2002 bezüglich der Beigeladenen Ziffer 1 hier keine Beanstandung erfolgt, lediglich bezüglich einer anderen Arbeitnehmerin. Entgegen der Annahme der Beklagten habe auf die Sonderzahlung kein rechtlicher Anspruch bestanden. Die Sonderzahlungen seien immer nur unter Vorbehalt bewilligt worden. Infolge dessen habe die Klägerin auch bei vorausschauender Betrachtung nicht feststellen können, dass die Entgeltgrenzen für eine geringfügige Beschäftigung überschritten würden. Sie selbst habe sich immer erst nach betriebswirtschaftlichen Auswertungen im Juli und Oktober entschlossen, Sonderzahlungen zu erbringen. Vor diesen betriebswirtschaftlichen Auswertungen hätte deshalb niemand sagen können, ob Sonderzahlungen erfolgen würden. Infolge dessen sei im Voraus nicht sicher gewesen, ob die monatlichen Entgeltgrenzen überschritten werden würden oder nicht. Es liege deshalb nach wie vor trotz der Sonderzahlungen eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV vor (siehe Bl. 51/53 SG-Akten S 9 KR 3559/03).

Im Rahmen des Klageverfahrens gab die Beigeladene Ziffer 1 mit Schreiben vom 6. April 2004 noch an, sie arbeite seit dem 1....

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