rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Mannheim (Entscheidung vom 21.08.2000; Aktenzeichen S 10 KR 2991/99)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, beim Kläger die Kosten für Viagra-Tabletten 100 mg entsprechend vertragsärztlicher Verordnung bis zu vier Tabletten im Monat zu übernehmen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte den Kläger aufgrund ärztlicher Verordnung mit dem Medikament "Viagra 100" zu versorgen hat.

Der 1963 geborene ledige Kläger ist bei der Beklagten pflichtversichert. Er leidet an einer erektilen Dysfunktion ohne Hinweis auf eine hormonelle Ursache. Diese wurde schon im Oktober 1986 festgestellt. In der Urologischen Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses U. wurde eine dorsale Penisvenenligatur durchgeführt. Vom 11. Mai bis 10. Juni 1992 wurde der Kläger in der Urologischen Klinik des Klinikums der Stadt M. wiederum wegen der obengenannten Diagnose stationär behandelt. Am 14. Mai 1992 wurde eine Revaskularisationsoperation nach Hauri durchgeführt und eine Sekundärnaht mit Circumcision am 01. Juni 1992 angelegt. Diese chirurgischen und die konservativen urologischen Therapieversuche, u.a. SKAT-Injektionen, hatten keinen Erfolg. Verschiedene Medikationen waren ebensowenig erfolgreich. Ein Therapieversuch mit Viagra 100 mg zeigte beim Kläger einen positiven Effekt. Hierauf beantragte der Kläger unter Vorlage einer befürwortenden Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin S. vom 19. März 1999 am 25. März 1999 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Verordnung von Viagra 100 mg. Die körperliche und seelische Beeinträchtigung des Klägers durch die Erkrankung gehe über eine reine Befindlichkeitsstörung weit hinaus, eine dauerhafte Beziehungsaufnahme oder eine Familiengründung sei ihm bisher verwehrt. Die Erkrankung führe zu einer relativen Isolierung, da die dauerhafte Kontaktaufnahme zum anderen Geschlecht sehr stark angstbesetzt sei und dadurch immer wieder scheitere. Das Abgleiten in eine reaktive Depression habe eine psychotherapeutische Behandlung notwendig gemacht. Der Kläger legte hierzu den Befundbericht des Urologen Dr. U., den Befundbericht der Urologischen Klinik M. und den Befundbericht des Bundeswehrkrankenhauses U. vor. Mit Bescheid vom 25. März 1999 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (BA) habe festgestellt, dass die Behandlung zu Lasten der Krankenversicherung mit Viagra nicht möglich sei, da eine wirtschaftliche Versorgung anderweitig sichergestellt sei. Hiergegen erhob der Kläger am 07. Oktober 1999 Widerspruch, den der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Bescheid vom 29. August 2001 zurückwies.

Schon am 18. November 1999 hatte der Kläger beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage mit dem Antrag erhoben, ihm alle Kosten zu erstatten, die zukünftig durch die Verordnung des Medikaments Viagra an ihn entstehen, solange er behandlungsbedürftig sei. Er legte hierzu weiter den Befundbericht des Arztes für Urologie Dr. U. vom 29. Januar 1999 vor.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Hinweis auf eine Pressemitteilung des BA zum Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) B 8 KN 9/98 KR vom 30. September 1999 entgegen.

Das SG zog das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 23. Februar 2000 (L 4 KR 130/98) bezüglich einer künstlichen Befruchtung sowie das Urteil des SG Hannover vom 16. November 1999 (S 2 KR 485/99) bei und gab der Klage mit Urteil vom 21. August 2000, das gegen Empfangsbekenntnis der Beklagten am 28. August 2000, dem Bevollmächtigten des Klägers am 24. August 2000 zugestellt wurde, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 25. März 1999 insoweit statt, als es die Beklagte verurteilte, den Kläger mit dem Medikament Viagra 100, und zwar mit monatlich einer Viererpackung bis 31. Dezember 2003, zu versorgen. Das SG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Klage sei als Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG zulässig. Sie sei auch begründet. Der Kläger leide mit der erektilen Dysfunktion an einer behandlungsbedürftigen Krankheit. Die Behandlung mit dem Medikament Viagra 100 entspreche auch den Erfordernissen des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 12 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), nachdem die vom Kläger geltend gemachte und zuerkannte Leistung mit einer Viererpackung Viagra 100 pro Monat einschließlich Mehrwertsteuer DM 107,60 koste (12er Packung für drei Monate DM 312,50). Die Versorgung mit Viagra 100 sei nicht durch § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V ausgeschlossen, wonach Mittel, die ausschließlich der Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz dienten, nicht verordnet werden dürften. Bei dem beim Kläger gegebenen Krankheitsbild diene das Medikament nicht der Anreizung und Steigerung der sexue...

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