Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Altenpflegerin in einer stationären Pflegeeinrichtung. Nachtwache. nur gelegentliche Tätigkeit in einem begrenzten, vorab bestimmten Tätigkeitsbereich. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Statusfeststellung. Einbindung in den Betriebsablauf. Stundenlohn
Leitsatz (amtlich)
Eine Altenpflegerin, die in einer stationären Pflegeeinrichtung ausschließlich als Nachtwache tätig ist, unterliegt in dieser Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht, wenn Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit vorab bestimmt werden, Einzelweisungen nicht notwendig waren und auch nicht erfolgt sind und keine Tätigkeiten geschuldet waren, die über eine reine Nachtwache hinausgingen (nur Nachtwache, nicht Nachtschicht).
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1, § 7a; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.04.2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Klage- und Berufungsverfahren wird auf je 5.000,-- € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit als Altenpflegerin für die Klägerin vom 19.12.2006 bis 31.07.2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat und ob Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestanden hat.
Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst sowie eine stationäre Pflegeeinrichtung.
Die 1950 geborene Beigeladene zu 1) ist staatlich anerkannte Altenpflegerin. Sie war seit 1991 bei dem Wohnstift A. in S. sozialversicherungspflichtig beschäftigt, nach eigenen Angaben betraf dies ca. 90 % ihrer Tätigkeit. Daneben war sie für mehrere Auftraggeber als Altenpflegerin in Einrichtungen der stationären und offenen Altenhilfe tätig, ua seit 19.12.2006 für die Klägerin. Schriftliche Verträge zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) bestehen nicht.
Aufgrund eines Antrags der Beigeladenen zu 1) vom 12.02.2007 auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Selbständige (Bl 63/66 SG-Akte) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12.06.2007 (Bl 83 SG-Akte) fest, dass aufgrund der selbständigen Tätigkeiten für die Einrichtungen Haus am B. S., Haus A. F., S.-Ambulanter Dienst und für die Stadt S. keine Versicherungspflicht kraft Gesetzes in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe. Auf Wunsch der Beigeladenen zu 1) ersetzte die Beklagte den Bescheid vom 12.06.2007 durch den Bescheid vom 28.06.2007 (Bl 40 Verwaltungsakte) und stellte ohne Aufzählung/Nennung von Auftraggebern fest, dass die von der Beigeladenen zu 1) ausgeübten selbständigen Tätigkeiten nicht zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung führten, da sie überwiegend gesunde und lediglich wegen ihres Alters pflegebedürftige Menschen betreue und für mehrere Auftraggeber tätig sei. Aufgrund der Art der ausgeübten Tätigkeit gehöre sie nicht zu den Berufsgruppen, die der Versicherungspflicht kraft Gesetzes unterlägen.
Zwischenzeitlich hatte die Beigeladene zu 1) am 04.06.2007 bei der Beklagten die Klärung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status betreffend die Tätigkeit als Altenpflegerin beantragt. Sie gab an, seit dem 19.12.2006 bei der Klägerin sowie für die V. v. P. GmbH, die Stadt S., die E. H.- und L., das Haus V., das Pflegeheim auf dem R. sowie die H.-R.-S. tätig zu sein. Sie biete Altenpflege hauptsächlich im Nachtdienst ausschließlich für ältere Menschen an, die aufgrund ihres Alters Pflege benötigten. Zu 91 % sei sie seit dem 01.10.1991 als Arbeitnehmerin im Wohnstift A. beschäftigt. Sie biete daneben freiberuflich ihre Leistung zu dem von ihr bestimmten Stundensatz an und nehme je nach Bedarf und ihren Freizeitkapazitäten einen Auftrag an oder lehne ihn ab. Sie sei ausschließlich bei überwiegend gesunden und lediglich wegen Alters pflegebedürftigen Menschen tätig. Sie sei nicht eingebunden oder eingegliedert in die Organisation ihrer Auftraggeber, müsse dort keine organisatorischen Aufgaben wahrnehmen, nehme dort weder an Besprechungen/Arbeitskreisen noch an Fortbildungen/Schulungen der dortigen Mitarbeiter teil, habe dort keine Vorgesetzten. Arbeitszeit und jeweilige Gestaltung der Tätigkeit bestimme sie im Wesentlichen selbst. Sie unterhalte für ihre selbständige Tätigkeit ein eigenes Arbeitsbüro. Der Nachtdienst umfasse täglich 11 Stunden. Sie verfüge über keine Zulassung der Kranken- und Pflegekassen, da sie hauptsächlich Nachtdienst mache.
Mit Anhörungsschreiben vom 03.07.2007 teilte die Beklagte der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) mit, es sei beabsichtigt, das Vorliegen eines abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses festzustellen.
Die Klägerin teilte mit, die Beigeladene zu 1) habe mehrere Auftraggeber und nehme daher Aufträge nicht ...