Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Kosten der Unterkunft. nicht erforderlicher Umzug. Anwendung von § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 nF bei Auszug aus dem Bereich des örtlichen Wohnungsmarktes. Begriff der Erforderlichkeit des Umzugs. Zusicherung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Deckelung der Kosten der Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug gem § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 in der ab 1.8.2006 geltenden Fassung gilt nur für einen Wohnungswechsel innerhalb des für die Bestimmung der Angemessenheit maßgeblichen örtlichen Bereichs.
Orientierungssatz
1. Zum Begriff der Erforderlichkeit iS des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2.
2. Gälte § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 nF auch bei einem Umzug in einen anderen Wohnortbereich iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2, insbesondere in die Zuständigkeit eines anderen Trägers, beeinträchtigte die Regelung das Grundrecht des Hilfebedürftigen auf Freizügigkeit nach Art 11 Abs 1 GG und es bestünden Bedenken im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG.
3. Eine fehlende Zusicherung gem § 22 Abs 2 SGB 2 steht einem Anspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nicht entgegen. Die Zusicherung nach § 22 Abs 2 SGB 2 ist keine Anspruchsvoraussetzung (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 = FEVS 58, 248).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Februar 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, den Klägern für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2007 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. jeweils € 52,91 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der den Klägern zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2007.
Die am ... April 1979 geborene Klägerin zu 1 und ihr am ... September 1998 geborener Sohn, der Kläger zu 2, wohnten bis 30. April 2007 in der M.-E.-Straße 6 in M.. Mit Bescheid vom 21. August 2006 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin Arbeitslosengeld I für die Zeit vom 5. August 2006 bis 3. August 2007 nach einem täglichen Leistungssatz in Höhe von € 9,82. Ab dem 1. Dezember 2006 wurde dem Kläger zu 2 Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von € 170,00 monatlich gewährt (Bewilligungsbescheid des Landratsamtes Zollernalbkreis vom 9. November 2006). Darüber hinaus wurde für den Kläger Kindergeld in Höhe von € 154,00 monatlich gewährt. Mit Bescheid vom 5. März 2007 bewilligte die ARGE Zollernalbkreis den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2007. Neben der Regelleistung für die Klägerin in Höhe von € 345,00, einem Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von € 41,00 und des Sozialgeldes für den Kläger in Höhe von € 207,00 wurden auf Bedarfsseite monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von € 317,68 anerkannt. Dabei entfielen auf die Grundmiete € 164,18, auf die Nebenkosten € 84,00 sowie auf die Kosten für die Heizung € 69,50.
Am 1. Mai 2007 zogen die Kläger von M. in die E.str. 87b in H. um, wo bereits eine Schwester der Klägerin wohnte. Zum gleichen Zeitpunkt zogen auch die Eltern der Klägerin von M. in eine Mietwohnung unter der gleichen Anschrift wie die Klägerin um. Für die 67,60 Quadratmeter große Wohnung hat die Klägerin eine Grundmiete von € 285,00 zu zahlen; die Nebenkosten belaufen sich auf € 75,00. Die Vorauszahlung für die Heizkosten mittels Erdölsammelheizung beträgt € 40,00 monatlich. Eine Zusicherung des zuständigen Grundsicherungsträgers hatten die Kläger vor dem Umzug nicht eingeholt.
Auf ihren Antrag vom 25. April 2007 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2007 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Neben Regelleistung, Mehrbedarf für Alleinerziehende und Sozialgeld wurden Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt € 279,18, aufgeteilt nach Kopfteilen je € 139,59, anerkannt. Berücksichtigt wurden die tatsächlichen Nebenkosten in Höhe von € 75,00 und Heizkosten in Höhe von € 40,00. Die Kaltmiete wurde jedoch nur in Höhe der bisherigen Grundmiete von € 164,18 zugrunde gelegt, da der Umzug nach H. ohne vorherige Rücksprache mit dem bisher zuständigen Grundsicherungsträger erfolgt sei (Bescheid vom 26. April 2007).
Hiergegen erhob die Klägerin zu 1 am 10. Mai 2007 Widerspruch und bat um nochmalige Berechnung der der Bedarfsgemeinschaft zustehenden Leistungen. Zur Begründung legte sie eine von ihrer Mutter gefertigte Widerspruchsbegründung in deren Verfahren um höhere Kosten der Unterkunft und Heizung vor, womit sie geltend machte, sie müsse ihre Mutter bei der Versorgung ihres kranken Vaters unterstützen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Umzug der Kl...