Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. GmbH-Geschäftsführer. Anwendung der Neuregelung des § 26 Abs 1 S 3 SGB 4. Einleitung eines Feststellungsverfahrens zur Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status vor dem 1.1.2008. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. § 26 Abs 1 S 3 SGB 4 ist anwendbar, wenn ein Verwaltungsverfahren wegen der Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung erst nach dem 1.1.2008 beginnen konnte.
2. Weder ein Antrag nach § 7a SGB 4 noch - wie im vorliegenden Fall - ein Antrag nach § 28h Abs 2 SGB 4 auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status ist zugleich der Beginn eines Verwaltungsverfahrens auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge.
Orientierungssatz
§ 26 Abs 1 S 3 SGB 4 idF vom 19.12.2007 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, selbst wenn man davon ausgeht, es liege eine Umgestaltung zum Nachteil des Versicherten vor, so dass die Regelung eine so genannte unechte Rückwirkung hat.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. August 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung der von ihm in der Zeit vom 28. Oktober 1988 bis 30. November 2003 getragenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von € 95.392,60.
Der 1955 geborene Kläger ist seit 1. April 1983 bei der A.-E.-I. GmbH (im Folgenden: A-GmbH) tätig. Nach dem Anstellungsvertrag vom 30. April 1986 trat er zum 1. Mai 1986 als Mitglied der Geschäftsleitung in die A-GmbH ein. Seit 28. Oktober 1988 ist er Gesellschafter-Geschäftsführer. Hauptgesellschafter der A-GmbH ist die A.-Werk-G. F. GmbH und Co. KG (im Folgenden A-KG), an der der Kläger einen Kommanditanteil von zunächst 6,7 v.H. und später von 17 v.H. hielt sowie seit 15. Juli 2005 von 37,5 v.H. hält. Für den Kläger wurden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung für die Zeiträume vom 1. Juni 1976 bis 29. Februar 1984 sowie vom 1. Mai 1986 bis 31. März 2008 an die Beklagte entrichtet.
Der Kläger beantragte bei der damaligen Kaufmännischen Krankenkasse, heute Kaufmännische Krankenkasse Allianz (im Folgenden Krankenkasse), als der zuständigen Einzugsstelle mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 27. Dezember 2007, dort am 28. Dezember 2007 eingegangen, die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung und beantragte festzustellen, dass seine Tätigkeit als Beschäftigter bei der A-GmbH als Arbeitnehmer grundsätzlich nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege sowie dass er seit dem 1. Mai 1986 kein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer der A-GmbH sei bzw. gewesen sei, so dass auch kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und demnach ab diesem Zeitpunkt keine Versicherungspflicht von Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Umlageversicherung bestanden habe. Dem Antrag war eine schriftliche Vollmacht wegen "Feststellung des Sozialversicherungsstatus und Rückerstattung zu Unrecht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge" beigefügt. Nach Abstimmung mit der Beklagten (Schreiben der Krankenkasse vom 22. Januar 2008 an die Beklagte, Schreiben der Beklagten vom 18. Februar 2008 an die Krankenkasse) stellte die Krankenkasse gegenüber dem Kläger fest, dass er in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der A-GmbH seit 28. Oktober 1988 nicht in einem abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe (Bescheid der Krankenkasse vom 12. März 2008).
Den daraufhin vom Kläger bei der Krankenkasse gestellten und dort am 28. April 2008 eingegangenen Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 28. Oktober 1988 bis 31. März 2008 in Höhe von insgesamt € 190.785,20 (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil), leitete diese an die Beklagte weiter. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Krankenkasse mit, ein formloser Erstattungsantrag des Klägers liege ihr nicht vor und es sei in dieser Hinsicht nichts aktenkundig (Schreiben vom 7. August 2008). Mit an den Kläger gerichteten Bescheid vom 20. August 2008 beanstandete die Beklagte die für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 31. März 2008 zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Beiträge. Diese Beiträge seien zu Unrecht gezahlt worden, weil durch die zuständige Einzugsstelle (die Krankenkasse) festgestellt worden sei, dass in diesem Zeitraum keine Versicherungspflicht bestanden habe. Desweiteren lehnte die Beklagte die Erstattung der zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Beiträge für die Zeit vom 28. Oktober 1988 bis 30. November 2003 ab. Die Erstattung dieser Beiträge sei nicht möglich, da nach Ablauf von vier Jahren nach dem Kalenderjahr, in dem sie gezahlt worden seien, wegen fehlender Versicherungspflicht zu Unrecht gezahlte Beiträge von abhängig Beschäftigten als zu Recht gezahlt gälten und nicht mehr beanstandet und erstattet werden dürfte...