Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Neubemessung des Regelbedarfs. Verfassungsmäßigkeit. sozialgerichtliches Verfahren. Berufung. keine Zurückverweisung an Sozialgericht wegen Verfahrensmangel. keine Verletzung rechtlichen Gehörs
Leitsatz (amtlich)
Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bemessung des Regelbedarfs für alleinstehende Personen gem der zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Fassung des § 20 Abs 2 S 1 SGB 2 (Bestätigung des Senatsurteils vom 10.6.2011 - L 12 AS 1077/11 = ZFSH/SGB 2011, 649).
Orientierungssatz
Die bloße Behauptung, ein bestimmter Vortrag des Klägers sei vom Sozialgericht nicht berücksichtigt worden, genügt den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels iS des § 159 Abs 1 SGG nicht. Das Gericht ist im Rahmen des rechtlichen Gehörs gem § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen auch in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Insbesondere ist es nicht verpflichtet, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten einzugehen, die im Laufe eines Verfahrens von der einen oder der anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind (vgl BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 = BVerfGE 96, 205 und BSG vom 5.10.2010 - B 8 SO 62/10 B). Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör kann nicht angenommen werden, wenn das Gericht Ausführungen eines Beteiligten unerwähnt lässt, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich oder offensichtlich haltlos sind.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.10.2011 streitig.
Die 1958 geborene, alleinstehende Klägerin bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Beklagten. Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden gesondert durch den kommunalen Träger, den R-N-Kreis, erbracht. Im Bereich des R-N-Kreises bestand und besteht zwischen dem kommunalen Träger und der Bundesagentur für Arbeit keine Arbeitsgemeinschaft.
Auf Fortzahlungsantrag bewilligte die Beklagte der erwerbsfähigen Klägerin, die über kein Einkommen und Vermögen verfügt, für die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 30.04.2011 Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 359,00 €, ab 01.01.2011 von 364,00 € (Bescheid vom 12.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.12.2010 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26.03.2011). Die dagegen zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (S 1 AS 38/11) hatte keinen Erfolg (Gerichtsbescheid vom 14.02.2011). Der Senat hat die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 10.06.2011 zurückgewiesen (L 12 AS 1077/11). Dagegen hat die Klägerin die vom Senat zugelassene Revision zum Bundessozialgericht eingelegt (B 14 AS 153/11 R).
Auf Fortzahlungsantrag bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.10.2011 Alg II in Höhe von monatlich 364,00 € (Bescheid vom 30.03.2011). Den Widerspruch der Klägerin (Widerspruchsschreiben vom 26.04.2011) wies die Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.05.2011). Mit Widerspruchsbescheid vom gleichen Tag wies die Beklagte auch einen Widerspruch der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 26.03.2011 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 30.05.2011 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben, mit der sie eine monatliche Regelleistung in Höhe von 840,00 € zuzüglich monatlicher Versicherungsbeiträge in Höhe von 159,73 € geltend macht. Der Betrag von 364,00 € monatlich decke die Bedarfe eines alleinstehenden Erwachsenen nicht ab. Die existenznotwendigen Güter könnten nicht erworben werden. Der Regelsatz sei auf 840,00 € aufzustocken, damit die lebensnotwendigen Güter und Dienstleistungen noch in diesem Leben erworben werden könnten. Der Gesetzgeber sei nicht dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 09.02.2010 nachgekommen, die Regelsätze verfassungsgemäß neu zu berechnen. Es sei ohne Bezug zur Realität eine Schätzung des regelsatzrelevanten Betrages vorgenommen worden. Der tatsächliche Bedarf sei nicht ermittelt worden. Der Regelsatz in Höhe von 364,00 € decke das physiologische und soziologische Existenzminimum eines Erwachsenen nicht. Im neuen Regelsatz seien die Kosten für Gesundheitsfürsorge, notwendige Versicherungen, Altersfürsorge, soziokulturelle Teilnahme am sozialen Leben, Personalausweis, Reisepass, Haushaltsreparaturen, kulturelle Veranstaltungen etc. nicht berücksichtigt. Auch fehle ein Ausgleich für die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19%.
Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 22.07.2011 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Beklagte habe in den streitgegenständlichen Bescheiden den rechtserheblichen Sachverhalt a...