Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Kommanditgesellschaft. Ehegatten-Innengesellschaft. Familienunternehmen. Ehegatte. Beschäftigung. Gewährung von Darlehen bzw Sicherheiten unter Ehegatten. sozialgerichtliches Verfahren. Beiladung. Nebenintervention

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem rechtlichen Interesse eines Dritten, dass eine der streitenden Parteien obsiege (§ 66 Abs 1 ZPO), wird im sozialgerichtlichen Verfahren durch die Möglichkeit der Beiladung Rechnung getragen (vgl BSG vom 8.8.1975 - 6 RKa 9/74 = BSGE 40, 130 = SozR 1750 § 41 Nr 1). Der "Beitritt" eines Dritten zum Rechtsstreit ist im sozialgerichtlichen Verfahren daher als Antrag auf Beiladung zu werten.

2. Das Bestehen einer Ehegatten-Innengesellschaft steht der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen einem Ehegatten und einer KG, deren Komplementär der andere Ehegatte ist, nicht entgegen.

3. Die Gewährung von Darlehen bzw Sicherheiten unter Ehegatten schließt ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht von vornherein aus.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. April 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin bei der Beigeladenen zu 4 seit dem 1. April 1971 sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Die Beigeladene zu 4 ist eine am 1. Januar 1982 gegründete Kommanditgesellschaft (KG), die die Gaststätte “G. B.„ betreibt (§ 2 Abs 1 des Gesellschaftsvertrages); sie ist im Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart unter der Nr HRA ... eingetragen. Die Gaststätte wurde ursprünglich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geführt. Komplementär (persönlich haftender Gesellschafter) ist der Ehemann der Klägerin, F. B.; Kommanditisten waren anfangs seine Eltern W. und M. B. mit einer Einlage von jeweils 25.000 DM. Die Geschäftsführung und Vertretungsbefugnis oblag allein F. B.. Am 31.12.1987 schied die Kommanditistin M. B. aus. Nach dem Tod von W. B. sollte der Sohn von F. B. und der Klägerin, M. B., den Kommanditanteil von W. B. übernehmen. M. B. wurde Einzelprokura erteilt. Am 1. April 2004 wurden durch Gesellschaftsvertrag die Stimmrechte und die Gewinn- und Verlustbeteiligung entsprechend den Kapitalanteilen (Komplementär F. B. mit einem Kapitalanteil von 30.000 € und Kommanditist M. B. mit einem Kapitalanteil von 15.000 €) geregelt. Nach § 8 Abs 2 des Gesellschaftsvertrages bedürfen Entscheidungen der Gesellschafterversammlung grundsätzlich einer einfachen Mehrheit, bestimmte Maßnahmen bedürfen nach § 8 Abs 3 einer qualifizierten Mehrheit von 2/3. In der Güterstandvereinbarung in § 20 Abs 1 ist geregelt, dass Gesellschafter, die natürliche Personen sind, verpflichtet sind, bei Eingehen einer Ehe durch ehevertragliche Regelungen sicherzustellen, dass ihre Beteiligung an der Gesellschaft bei der Berechnung eines etwaigen Zugewinns im Falle der Scheidung außer Betracht bleibt.

Diese Änderungen wurden allerdings bislang noch nicht in vollem Umfang im Handelsregister eingetragen. Nach der letzten Eintragung vom 16. November 2009 gestalten sich die Rechtsverhältnisse der Beigeladenen zu 4 wie folgt: Persönlich haftender Gesellschafter der KG ist F. B., Einzelprokura hat M. B.. Als Kommanditisten sind fünf Personen eingetragen, die im Wege der Sondererbfolge in die KG eintraten; nicht als Kommanditist eingetragen ist M. B..

Die 1950 geborene Klägerin, die mit ihrem Ehemann im Güterstand der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft lebt, ist gelernte Fleischereifachverkäuferin und seit 1. April 1971 in der Gastwirtschaft tätig. Ihr ursprünglicher Arbeitsvertrag wurde durch Anstellungsvertrag vom 2. Januar 1984 ersetzt und vereinbart, dass zu ihren Arbeiten die Erledigung des gesamten für den Betrieb anfallenden Schriftverkehrs, die Führung bzw Vorbereitung der Betriebsbuchhaltung und die Leitung des Bedienungspersonals gehört. Es wurde ein festes monatliches Gehalt von DM 3.000, ein Urlaubsgeld in Höhe der Hälfte eines bezahlten Jahresurlaubs, eine jährliche Tantieme von 3 % des Jahresumsatzes, eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im gesetzlichen Umfang, eine Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich und ein jährlicher Erholungsurlaub von 20 Arbeitstagen vereinbart. In § 11 Abs 2 des Anstellungsvertrages wurde festgelegt, dass Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages grundsätzlich der schriftlichen Form bedürfen. Der Lohn der Klägerin wurde als Betriebsausgabe verbucht und von ihm Lohnsteuer und Sozialabgaben abgeführt. Die Klägerin ist nicht an der KG beteiligt.

Am 4. Mai 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Überprüfung der Sozialversicherungspflicht ihrer Tätigkeiten. In dem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen gab sie an, sie sei seit 1. April 1971 als kaufmännische Leiterin mit 50 Wochenstunden bei einem regel...

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