Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Voraussetzung eines Anspruchs auf Ergänzung eines Urteils. Zulässigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bei Abwesenheit des Klägers wegen einer Strafhaft
Orientierungssatz
1. Eine Ergänzung eines sozialgerichtlichen Urteils gemäß § 140 SGG kommt nur in Betracht, wenn das Gericht bei der Urteilsfindung einen Anspruch aus der Klage übersehen hat, nicht jedoch, wenn das Gericht einen behaupteten Anspruch bewusst ausgeklammert hat bzw. wenn es aus Sicht des Klägers fehlerhaft über einen Anspruch entschieden hat.
2. Allein ein Ausbleiben eines Klägers zum Termin der mündlichen Verhandlung aufgrund einer Inhaftierung zur Verbüßung einer Strafhaft hindert das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren jedenfalls bei unterbliebener Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht, die mündliche Verhandlung durchzuführen und ein darauf beruhendes Urteil zu fällen.
Normenkette
SGG § 140 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2-3, § 105 Abs. 2 S. 2, § 110 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, §§ 138-139, 153 Abs. 4, § 178a; ZPO § 337; StVollzG § 36 Abs. 1, 2 Sätze 1-2
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Ergänzung des Urteils vom 24.07.2015 - L 8 U 633/15 - wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten dieses Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Ergänzung des vom Senat am 24.07.2015 im Verfahren L 8 U 633/15 verkündeten, ihm am 05.08.2015 zugestellten Urteils.
Mit Urteil vom 24.07.2015 hatte der Senat wie folgt entschieden:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 29.10.2014 abgeändert und der Beklagten untersagt, Bescheide und Widerspruchsbescheide offen an die Justizvollzugsanstalt zuzustellen bzw. zu übersenden sowie Mehrfertigungen von Bescheiden und Widerspruchsbescheiden an die Justizvollzugsanstalt zu übersenden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger 1/4 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.
In den Entscheidungsgründen hatte der Senat u.a. ausgeführt, Streitgegenstände des Berufungsverfahrens seien nicht die klägerischen Begehren nach "Verletztengeld" und "Erstattung von Aufwendungen/Verdienstausfall" (Anträge Ziffer 1 und 3 vor dem SG), denn insoweit gelte der angefochtene Gerichtsbescheid des SG als nicht ergangen, weil der Kläger insoweit mit am 16.02.2015 beim Sozialgericht (SG) Ulm eingegangenem Schreiben vom 09.02.2015 mündliche Verhandlung beantragt habe, was er auch mit seinem Schreiben vom 16.07.2015 bestätigt habe. Daher habe das SG nach Ende des Berufungsverfahrens über diese Streitgegenstände aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Das SG habe im angefochtenen Gerichtsbescheid die Berufung nicht zugelassen, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige für die beiden Streitgegenstände "Verletztengeldzahlung" und "Aufwendungsersatz einschließlich Verdienstausfall" weder einzeln noch zusammen den in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bestimmten, bei Berufungseinlegung am 16.02.2015 maßgeblichen Wert von 750,00 EUR. Eine Zusammenrechnung mit den mit einer Feststellungs- bzw. Unterlassungsklage geltend gemachten Streitgegenständen "Zahlung auf das Haftkonto" und "Unterlassung offener Bekanntgaben über die JVA" (Anträge Ziffer 2 und 4 vor dem SG) komme nicht in Betracht. Hinsichtlich der Streitgegenstände der "Feststellungsklage" ("Zahlung auf das Haftkonto") und der "Unterlassungsklage" ("Unterlassung offener Bekanntgaben über die JVA") sei die Berufung jedoch bereits nach § 144 Abs. 1 SGG statthaft.
Mit seinem am 18.08.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingegangenen Antrag (Schreiben vom 08.08.2015, Blatt 2 der Senatsakte = Blatt 89 der Senatsakte zum Verfahren L 8 U 633/15) hat der Kläger u.a. ausgeführt, da die mögliche Trennung (§ 145 ZPO) nicht erfolgt sei, habe der Senat über die Berufung als Ganzes im Rahmen eines einheitlichen Verfahrens zu entscheiden. Die im Urteil benannten Anträge Ziffer 1 und 3 müssten daher sachlich beschieden werden. Der Senat habe noch nicht einmal an das SG zurückverwiesen, "damit dort die - ebenfalls - offenen Anträge auf mündliche Verhandlung beschieden werden" könnten. Es werde beantragt, die Hauptverhandlung wieder zu eröffnen. Es sei nicht relevant, ob der Senat den Termin gem. § 337 ZPO verschieben oder die Vorführung habe anordnen müssen. Denn nachdem er dargetan habe, dass ihm die JVA Sonderausgang und Vorführung zum Termin verweigere, sei der Senat verpflichtet gewesen, den Sachverhalt aufzuklären und von der JVA eine amtliche Auskunft einzuholen. Im Übrigen lehne er die Richter wegen Befangenheit ab.
Der Kläger hat gegen das Urteil des Senats im Verfahren L 8 U 633/15 Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) erhoben (vgl. Blatt 92 der Senatsakte L 8 U 633/15).
Der Kläger beantragt schriftsätzlich, das Urteil vom 24.07.2015 nach mündlicher Verhandlung zu ergänzen.
Die Beklagte...