Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Prüfverfahren. materielle Präklusion bezüglich konkret bezeichneter Unterlagen. endgültiger Ausschluss als Beweismittel in einem späteren Gerichtsverfahren. materielle Präklusion nicht zur Disposition der Beteiligten stehend
Leitsatz (amtlich)
§ 7 Abs 2 S 2 bis 4 PrüfvV 2014 (juris: PrüfvVbg) enthält eine materielle Präklusionsregelung mit der Rechtsfolge, dass konkret bezeichnete Unterlagen, die der MDK im Rahmen eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens angefordert, das Krankenhaus aber nicht innerhalb der Frist von 4 Wochen vorgelegt hat, auch in einem späteren Gerichtsverfahren nicht mehr zur Begründung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt werden dürfen (Anschluss an BSG vom 18.5.2021 - B 1 KR 32/20 R = BSGE 132, 143 = SozR 4-2500 § 275 Nr 33). Die präkludierten Unterlagen sind als Beweismittel endgültig ausgeschlossen. Die materielle Präklusion steht nicht zur Disposition der Beteiligten.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.11.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 10.780,49 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin, Trägerin eines nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses, behandelte den bei der beklagten Krankenkasse versicherten K (Versicherter) wegen eines Lungen-Karzinoms stationär vom 25.10.2016 bis 31.10.2016 sowie vom 06.11.2016 bis zum 17.11.2016. Während des ersten stationären Aufenthalts erfolgten die Bestimmung des Stadiums des Tumors sowie eine ausführliche Diagnostik.
Mit Rechnung vom 01.12.2016 rechnete die Klägerin die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2016 ≪DRG≫) E05A (Andere große Eingriffe am Thorax oder bestimmte Eingriffe zur Entfernung von intrakraniellem Gewebe, mit bestimmten Eingriffen bei Brustkorbdeformität oder mit äußerst schweren CC) iHv 14.828,74 € ab und berücksichtigte dabei die OPS-Prozedur 5-324.b1 (einfache Lobektomie und Bilobektomie der Lunge: Lobektomie mit radikaler Lymphadenektomie, offen chirurgisch, ohne bronchoplastische oder angioplastische Erweiterung) mit dem OP-Datum 07.11.2016. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig.
Mit Schreiben vom 20.12.2016 zeigte die Beklagte der Klägerin (Eingang bei der Klägerin am 23.12.2016) eine „Teilprüfung der Abrechnung (bestimmte Diagnosen, bestimmte Prozeduren, etc.)“ an und schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Der MDK zeigte der Klägerin mit Schreiben vom 22.12.2016 (Eingang bei der Klägerin 28.12.2016) die Prüfung an und übermittelte die Fragen der Beklagten:
„Ist die DRG korrekt?
Ist/sind die Nebendiagnosen (ND) korrekt?“
Außerdem forderte der MDK folgende Unterlagen an:
„Ausführlicher Krankenhausentlassungsbericht,
Tageskurve(n),
Pflegedokumentation(en),
Operationsbericht(e), falls operative Eingriffe durchgeführt wurden,
Interventionsprotokoll(e), falls Intervention durchgeführt wurden,
Laborbefund(e), Antibiogramm und Mikrobiologie,
Anamnese, Befunde bei Aufnahme, körperlicher Untersuchungsbefund bei Aufnahme,
Nachweise zu Nebendiagnosen,
Überwachungsbogen, falls eine Überwachung durchgeführt wurde“.
Das in dem Vordruck vorgesehene Feld „Nachweise zu OPS“ kreuzte der MDK nicht an.
Nach Übersendung von Unterlagen durch die Klägerin, wobei sie lediglich die Unterlagen bzgl des stationären Aufenthalts vom 25.10.2016 bis 31.10.2016 übersandte und dabei insbesondere den Operationsbericht vom 07.11.2016 betreffend die am 07.11.2016 durchgeführte Lobektomie nicht beifügte, gelangte der MDK in seinem Gutachten vom 04.07.2017 zu der Auffassung, dass anstatt der DRG E05A die DRG E71C (Neubildungen der Atmungsorgane ohne äußerst schwere CC oder ein Belegungstag, ohne Bronchoskopie, ohne bestimmte Lungenbiopsie) sowie die Hauptdiagnose D38.1 (Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens: Trachea, Bronchus und Lunge) anstatt C34.3 zu kodieren sei. Die Nebendiagnosen prüfte der MDK nicht, da diese nicht abrechnungsrelevant seien. Die Klägerin habe Unterlagen für den Aufenthalt ab 06.11.2016 nicht vorgelegt. Ob die OPS-Prozedur 5-324.b1 zu Recht abgerechnet worden sei, sei mangels Unterlagen nicht zu beurteilen.
Mit Schreiben vom 06.07.2017 machte die Beklagte einen Erstattungsanspruch iHv 10.780,49 € geltend. Die Hauptdiagnose C34.3 sowie die OPS-Prozedur 5-324.b1 seien nicht bestätigt worden. Neue Hauptdiagnose sei D38.1 sowie die neue DRG E71C. Zur Begründung verwies die Beklagte auf das MDK-Gutachten.
Am 07.07.2017 nahm die Beklagte in Höhe vom 10.780,49 € eine Verrechnung mit unstreitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderweitigen Behandlungsfällen vor.
Ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten vom 21.07.2017 über einen Anruf der Medizincontrollerin der Klägerin, Frau P, habe diese ange...