Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Quotierung von sogenannten freien Leistungen im Rahmen einer Honorarverteilungs- und Vergütungsvereinbarung ist rechtens. Honorarverteilungsgerechtigkeit. Regelleistungsvolumen. Vorwegabzug. Ermächtigungsgrundlage. Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung
Orientierungssatz
Eine Regelung im Rahmen einer Honorarverteilungs- und Vergütungsvereinbarung, die sogenannte freie Leistungen unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Bewertungsausschusses vom 20.4.2009 = DÄ 2009, A 942 und vom 22.9.2009 = DÄ 2009, A 2103 einer Quotierung unterzieht, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Normenkette
SGB V § 87b Abs. 1-2, §§ 87a, 72 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.04.2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 1.542,12 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Quotierung von freien Leistungen bei der Berechnung seines vertragsärztlichen Honorars für das Quartal II/2010. Er begehrt die ungekürzte Vergütung der von ihm erbrachten freien Leistungen und damit eine weitere Honorarzahlung in Höhe von 1.542,12 €.
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Sitz in K. zugelassen und nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil. Mit Honorarbescheid vom 15.10.2010 setzte die Beklagte das vertragsärztliche Honorar des Klägers in Höhe von insgesamt 63.097,77 € fest. Dabei wurden folgende freie Leistungen mit einem prozentualen Anteil des im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) angegebenen Wertes vergütet:
|
Freie Leistungen |
GOP |
GOP-Wert |
Anzahl |
Gesamt |
Quote |
Kürzung |
Unvorhergesehene Inanspruchnahme |
01100 |
19,45€ |
54 |
1.050,39€ |
90,15% |
103,45€ |
Dringender Besuch I |
01411 |
46,44€ |
12 |
557,26€ |
92,94% |
39,34€ |
Dringender Besuch II |
01412 |
62,03€ |
2 |
124,07€ |
92,94% |
8,76€ |
Eingangsdiagnostik und Abschlussuntersuchung zur Körperakupunktur |
30790 |
46,61 € |
30 |
2.796,83€ |
89,42% |
295,88€ |
Durchführung der Körperakupunktur |
30791 |
21,03€ |
492 |
10.346,76€ |
89,42% |
1.094,69€ |
Insgesamt |
1.542,12€ |
Der Kläger erhob hiergegen am 11.11.2010 Widerspruch und ließ zu dessen Begründung ausführen, die Quotierung von Leistungen außerhalb des Regelleistungsvolumens (RLV) sei mangels Rechtsgrundlage unzulässig. Nach § 87b Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien die vertragsärztlichen Leistungen auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Eine prozentuale Minderung der darin bestimmten Euro-Beträge sei in der Gebührenordnung nicht vorgesehen. Gemäß § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V könne nur die das RLV übersteigende Leistungsmenge abgestaffelt vergütet werden. Davon seien die freien Leistungen nicht umfasst. Etwaige Beschlüsse der Beklagten oder des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur abgestaffelten Vergütung freier Leistungen verstießen gegen das vertragsärztliche Vergütungsrecht und seien deshalb unwirksam. Wenn der Gesetzgeber die Vergütung der Vertragsärzte klar und unmissverständlich geregelt habe, seien abweichende Regelungen der Kassenärztlichen Vereinigungen nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht zulässig. Es komme nicht darauf an, ob der Beklagten ausreichende finanzielle Mittel zur Vergütung der Vertragsärzte zur Verfügung stehen würden, da sie sich die zur Erfüllung der gesetzlichen Honoraransprüche der Vertragsärzte erforderlichen finanziellen Mittel bei den Kostenträgern beschaffen müsse. Weil die Quotierung der freien Leistungen unzulässig sei, habe er Anspruch auf eine Nachzahlung in Höhe von 1.542,26 €.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2011 als unbegründet zurück Die Mengensteuerung der freien Leistungen seit dem Quartal III/2009 beruhe auf dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 20.04.2009. Maßstab für die Mengensteuerung sei die Menge der abgerufenen Leistungen im entsprechenden Vorjahresquartal. Was über diesen Topf hinausgehe, werde quotiert, damit Honoraranforderung und beschränkte Geldmenge in Einklang gebracht werden könnten. Der Grund für die quotierte Vergütung freier Leistungen liege darin, dass ein Anstieg der freien Leistungen zwangsläufig zu einer Verminderung der RLV führe, da die Geldmenge für die Leistungen der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) insgesamt begrenzt sei und die Krankenkassen keine Nachfinanzierungspflicht treffe. Durch die Mengensteuerung der freien Leistungen stünden mehr Gelder für die RLV zur Verfügung.
Hiergegen erhob der Kläger am 23.08.2011 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart, zu deren Begründung er ausführen ließ, dass die Unzulässigkeit einer Kürzung der Vergütung für freie Leistungen aus § 87b Abs. 2 Satz 7 SGB V folge. Danach könnten weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden sollten. Die ...