Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsminderung. Verweisungstätigkeit und tarifliche Einstufung. Gleichstellung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter stellt für einen Facharbeiter grundsätzlich eine zumutbare Verweisungstätigkeit nach dem vom Bundessozialgericht zur Berufsunfähigkeit iS von § 240 SGB 6 entwickelten Mehrstufenschema dar. Derartige Tätigkeiten stehen nach dem Ergebnis der berufskundlichen Ermittlungen des Senats auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichendem Umfang zur Verfügung. Die soziale Zumutbarkeit ergibt sich daraus, dass diese Tätigkeiten von den Tarifvertragsparteien in der neuen Entgeltordnung zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) durch die tarifliche Einstufung in Entgeltgruppe 3 in ihrem qualitativen Wert dem Leitberuf des angelernten Arbeiters gleichgestellt sind.

 

Orientierungssatz

Zur Gleichstellung vgl BSG vom 12.9.1991 - 5 RJ 34/90 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 17.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. September 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1949 geborene Kläger hat nach dem Hauptschulabschluss keinen Beruf erlernt und war danach als Kellner, Schleifer/Polier und Lagerist tätig. Seit dem 5. März 1973 war er als Lagerarbeiter bei der Firma D. M., Di., versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Implantation einer Kombi-Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP links) befand er sich vom 11. Mai 2005 bis 1. Juni 2005 in einer stationären Anschlussheilbehandlung in der Waldklinik Do.. Dem Entlassungsbericht der Waldklinik Do. vom 14. Juni 2005 zufolge fand sich bei dem Kläger eine gute Funktion und gute muskuläre Kompensation bzw. Mobilität bezüglich der Kombi-Hüft-TEP links, eine Adipositas per magna, eine noch schmerzkompensierte Coxarthrose rechts mit beginnenden Funktionsbehinderungen, eine medikamentös behandelte arterielle Hypertonie und ein Schlafapnoe-Syndrom bei vorhandenem Atemgerät. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Lageristen sei nicht mehr als leidensgerecht einzustufen. Für den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter weiteren qualitativen Einschränkungen.

Am 17. November 2005 stellte der Kläger erstmalig einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte in diesem Zusammenhang eine Arbeitgeberauskunft ein, wonach der Kläger als Lagermitarbeiter bei der Be- und Entladung von LKWs sowie der Lagerverwaltung beschäftigt gewesen sei, verbunden mit Heben und Tragen von Lasten über 20 kg. Der Kläger sei gegenüber 4 Personen, darunter keine Facharbeiter, in Vorgesetztenfunktion tätig gewesen; es habe sich um eine Tätigkeit mit einer Anlernzeit von 6 Monaten gehandelt, ohne dass ein Ausbildungsabschluss nachgewiesen worden sei. Mit Bescheid vom 29. November 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Im sich daran anschließenden Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte eine Begutachtung des Klägers durch Dr. G., Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie. Dieser kam in seinem Gutachten vom 21. Februar 2006, beruhend u.a. auf einer Untersuchung am 10. Februar 2006 zu folgenden Diagnosen:

1. Chronisch rezidivierende Lumbalgien mit mäßiger Funktionseinschränkung bei beklagter Bewegungs-/Belastungsschmerzhaftigkeit bei röntgenologisch mäßiggradig degenerativen LWS-Veränderungen.

2. Ordentliche Funktion des linken Hüftgelenks bei Zustand nach Kombi-Hüft-TEP links bei fortgeschrittener Coxarthrose, deutliche Schmerzreduktion postoperativ.

3. Coxarthrose Grad II rechts ohne wesentliche Funktionseinschränkungen bei beginnender Bewegungs-/Belastungsschmerzhaftigkeit.

4. Schlafapnoe-Syndrom, mit CPAP-Gerät versorgt, mit deutlicher Minderung der vorher bestehenden Tagesmüdigkeit.

5. COPD Grad I mit mäßiger Belastungsdyspnoe und leicht erhöhtem Atemwegswiderstand, auf inhalative Lösung gut teilreversibel.

6. Inkomplettes metabolisches Syndrom mit Adipositas per magna, arterieller Hypertonie (medikamentös eingestellt).

Die Tätigkeit eines Lagerarbeiters mit aktiver Mitarbeit bei Be- und Entladetätigkeit (schwer) könne der Kläger nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten. Für den allgemeinen Arbeitsmarkt sei ein positives Leistungsbild für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von 6 Std. und mehr gegeben. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2006 zurück.

Am 30. Mai 2007 (Eingang bei der Beklagten) beantragte der Kläger neuerlich die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Dem Rentenantrag beigefügt war ein unbefristet gültiger Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 und dem Merkzeichen “G„. Nach Beiziehung ärztlicher Befundunterlagen, darunter des bereits angesprochenen Reha-Entlassungsberichts der Waldklinik Do., lehnte die Beklagte ...

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