Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung. Anwendbarkeit auf Folge- und Zweitantragsteller. Entscheidung des BAMF über den Folge- oder Zweitantrag. unabweisbar gebotene Leistung. Kürzung um den Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 1a AsylbLG in der bis zum 28.2.2015 geltenden Fassung (aF) war nicht auf Leistungsberechtigte nach § 1 Abs 1 Nr 7 AsylbLG (Asylfolge- und Asylzweitantragsteller) anwendbar.

2. Die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs 1 Nr 7 AsylbLG endet mit der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Folge- oder Zweitantrag.

3. § 1a AsylbLG aF lässt auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua = BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2) im Rahmen einer Einzelfallentscheidung eine Anspruchseinschränkung, insbesondere hinsichtlich des Geldbetrages zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, zu.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Oktober 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine vom Beklagten für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 vorgenommene Anspruchseinschränkung nach § 1a Nr. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in der bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung (a. F.) im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).

Der 1991 geborene Kläger, Staatsangehöriger der Republik Gambia, reiste am 5. Oktober 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Er wurde zunächst der Landesaufnahmestelle K. zugewiesen. Ihm wurde zunächst eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens erteilt. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. November 2010 wurde er zur (vorläufigen) Unterbringung der unteren Aufnahmebehörde beim Landratsamt zugewiesen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte nach Rücknahme des Asylantrags durch den Kläger mit Bescheid vom 19. Dezember 2011 das Asylverfahren ein, stellte fest, dass Abschiebeverbote nicht vorlägen, und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Die zum Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe erhobene Klage hatte keinen Erfolg (rechtskräftiges Urteil vom 19. Juli 2012 - A 9 K 3455/11).

Seit Oktober 2012 verfügt der Kläger über eine Aussetzung der Abschiebung (Duldung). Mit Bescheid vom 23. April 2013 wurde der Kläger zur Anschlussunterbringung der Gemeinde H. zugeteilt. Die Gemeinde H. wies den Kläger in eine Ein-Zimmer-Wohnung ein und setzte eine monatliche Nutzungsgebühr in Höhe von 234,46 € fest.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe forderte den Kläger, der nach eigenen Angaben über keine Personalpapiere (Pass, Passersatz, Personalausweis etc.) verfügt, mit Bescheid vom 6. November 2012 auf, gültige Reisedokumente sowie sonstige Identitätspapiere vorzulegen. Für den Fall, dass er kein gültiges Reisedokument vorlege, bestehe die Absicht, eine begleitete Vorsprache bei der Heimatvertretung anzuordnen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ordnete mit Bescheid vom 24. Oktober 2013 die persönliche Vorsprache des Klägers bei einem Vertreter des Generalkonsulats am 13. November 2013 an und drohte zur Durchsetzung dieser Anordnung die Anwendung unmittelbaren Zwanges an. Das Regierungspräsidium Karlsruhe verfügte erneut mit Bescheid vom 16. September 2014 die persönliche Vorsprache des Klägers bei einem Vertreter des Generalkonsulats am 8. Oktober 2014 in Ludwigsburg und drohte zur Durchsetzung dieser Anordnung die Anwendung unmittelbaren Zwanges an. Mit Bescheiden vom 26. August 2015 und 1. September 2015 ordnete es die persönliche Vorsprache zwecks Identitätsklärung unter Zuhilfenahme einer Delegation aus G. beim Regierungspräsidium am 1. September 2015 bzw. am 3. September 2015 (unter Vorführung durch Polizeibeamte) an.

Den am 29. Januar 2014 gestellten Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 27. Februar 2014 ab. Gleichzeitig lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 19. Dezember 2011 bezüglich der Feststellung von Abschiebeverboten ab. Die dagegen erhobene Klage wies das VG Karlsruhe mit Urteil vom 21. März 2016 (A 9 K 857/14) ab. Die auf eine erneute Feststellung eines Abschiebeverbots gerichtete Klage sei unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und auf Feststellung eines Abschiebeverbots habe.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger zunächst für die Zeit vom 29. April 2013 bis zum 31. Juli 2013 Leistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG, gekürzt um die Höhe des Taschengeldes nach § 1a AsylbLG a.F. (Bescheide vom 6. Juni 2013 und 20. Juni 2013).

Auf Anfrage des Beklagten teilte das Ausländeramt mit Schreiben vom 24....

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