Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung. Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Anspruch des Leiharbeitnehmers nach § 10 Abs 4 AÜG aF. einmalig zu zahlendes Entgelt. für Entstehen der Beitragsansprüche gilt bei Einmalzahlung Zuflussprinzip
Leitsatz (amtlich)
Bei dem Anspruch des Leiharbeitnehmers nach § 10 Abs 4 AÜG aF handelt es sich um einen Anspruch auf einmalig zu zahlendes Arbeitsentgelt. Für die Entstehung von Beitragsansprüchen in der Sozialversicherung gilt deshalb insoweit das Zuflussprinzip (Abweichung von BSG 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R = BSGE 120, 209 = SozR 4-2400 § 28p Nr 6).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.01.2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2013 aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits im Klage- und im Berufungsverfahren trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 141.703,14 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen und Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 141.703,14 € durch den beklagten Rentenversicherungsträger.
Die Klägerin betrieb als Einzelkauffrau (e.K.) ua in den Jahren 2005 bis 2009 Arbeitnehmerüberlassung; sie war im Besitz einer Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Rahmen einer Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) entschieden hatte, dass die von den Antragstellern dieses Verfahrens gestellten gegenwartsbezogenen Feststellunganträge begründet sind, weil die Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist, kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 19.10.2011 (am 10.11.2011 an die neue Adresse der Klägerin abgesandt) an, zum Jahresende eine Betriebsprüfung durchzuführen zur Überprüfung der Umsetzung des Beschlusses des BAG. Die Klägerin lehnte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.11.2011 die Durchführung einer solchen Betriebsprüfung ab, weil nicht erkennbar sei, mit welchen Konsequenzen der Beschluss des BAG umzusetzen sei. Das BAG habe ausdrücklich nur eine gegenwartsbezogene Feststellung getroffen. Sie habe außerdem in allen Arbeitsverträgen mit ihren Mitarbeitern eine Ausschlussfrist von drei Monaten für die Geltendmachung aller vertraglichen Ansprüche vereinbart. Die Beklagte nahm daraufhin von ihrem Vorhaben, noch im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung durchzuführen, Abstand und prüfte den Betrieb der Klägerin turnusgemäß im Februar 2012.
Nach einer Anhörung der Klägerin (Anhörungsschreiben vom 27.08.2012) forderte die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2012 von der Klägerin für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2009 (Prüfzeitraum) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 141.703,14 € nach. In dieser Nachforderung sind Säumniszuschläge in Höhe von 22.534,00 € enthalten. Die durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass die Klägerin im Prüfzeitraum Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG betrieben habe. Seit dem 01.01.2004 habe der Gesetzgeber für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit (equal pay) und das Gebot gleicher Arbeitsbedingungen (equal treatment) im Gesetz verankert. Die Entlohnung der Leiharbeitnehmer richte sich nach dem, was auch für die Stammbelegschaft des Entleihers gelte. Das AÜG sehe jedoch einen Ausnahmefall für das gesetzliche Gleichbehandlungsgebot vor. Existiere ein Tarifvertrag, der die Entlohnung der Leiharbeitnehmer regele, könne vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch zum Nachteil des Leiharbeitnehmers abgewichen werden. Die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG habe die Unwirksamkeit der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Der Leiharbeitnehmer, der auf Basis eines CGZP-Tarifvertrages beschäftigt gewesen sei, könne von dem Verleiher den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt werde. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte für laufendes Entgelt das Entstehungsprinzip. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstünden nach dieser Vorschrift, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch sei deswegen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt. Unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer den ihm zustehenden - höheren - Arbeitsentgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auch geltend mache. Sei der Beitragsanspruch entstanden, sei sein weiteres Schicksal unabhängig von der Durchsetzung oder Durchs...