Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Berechnung des Unterkunftskostenzuschusses bei Leistungsausschluss für Auszubildende. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld. Angemessenheit der Unterkunftskosten. vereinbarte Warmmiete. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Warmwasserabschlag. Rückwirkung des nachgeholten Antrags nach Ablehnung von Wohngeld
Orientierungssatz
1. Für die Höhe des Zuschusses gem § 22 Abs 7 SGB 2 kommt es allein auf die Höhe der ungedeckten angemessenen Unterkunftskosten nach Maßgabe der Berechnungsvorschriften des SGB 3 und des BAföG an und Kindergeld ist bei der Berechnung des ungedeckten Bedarfs für die Unterkunft nicht nach § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 als Einkommen zu berücksichtigen.
2. Zum Vorliegen bzw Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzeptes des Grundsicherungsträgers zur Überprüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 bei fehlendem Mietspiegel und Vereinbarung einer Warmmiete.
3. Zur Unzulässigkeit des Abzugs eines Warmwasserabschlages von den Heizkosten bei der Berechnung des Unterkunftskostenzuschusses gem § 22 Abs 7 SGB 2.
4. Die verkürzte Frist von einem Monat gem § 40 Abs 3 SGB 2, innerhalb derer ein Antrag auf Leistungen nach SGB 2 nach der bindend gewordenen Ablehnung eines Antrages auf eine andere Sozialleistung gestellt sein muss, damit der nachgeholte Antrag gem § 28 SGB 10 zurückwirken kann, gilt nicht in Fällen, in denen ein Unterkunftskostenzuschuss gem § 22 Abs 7 SGB 2 beantragt wurde.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Juni 2009 sowie der Bescheid vom 17. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2009 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab 29. Februar 2008 einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft von monatlich 141,- € sowie ab 1. Juli 2008 von 162,- € zu gewähren.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht ein Anspruch der Klägerin auf einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab 29. Februar 2008 und diesbezüglich insbesondere die Frage, ob das an die Klägerin weitergeleitete Kindergeld als Einkommen bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen ist.
Die 1985 geborene Klägerin beantragte am 17. September 2008 einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung für Auszubildende. Sie bewohnt seit 15. Dezember 2006 alleine eine 45 qm große Wohnung, Baujahr 1969, für die sie 380,- € Warmmiete bezahlt. Strom wird getrennt abgerechnet. Sie hat am 17. Oktober 2007 eine Ausbildung aufgenommen (voraussichtliche Dauer 3 Jahre) und erhielt vom 1. August 2008 bis 16. März 2009 Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) von monatlich 386,- €, deren Berechnung ein monatlich anzurechnendes Einkommen ihrer Mutter von 2,39 € zugrunde gelegt worden ist. Seit 17. März 2009 erhält die Klägerin 376,- €, unter Berücksichtigung eines anrechenbaren Einkommens ihres Vaters von monatlich 17,30 €. Die Klägerin hat einen mit Frau W, einer Freundin ihrer Mutter, abgeschlossenen Darlehensvertrag vorgelegt, wonach sie von dieser monatlich darlehensweise 150,- € für die Mietzahlung erhält. Die Klägerin hatte nach Inhalt ihres Ausbildungsvertrags Anspruch auf Ausbildungsvergütung im ersten Lehrjahr von monatlich 282,- €, im zweiten von 296,10 € und im dritten Lehrjahr von 310,91 €. Die Klägerin hat jedenfalls für Juni 2009 Ausbildungsvergütung von netto 325,50 € erhalten. Die Agentur für Arbeit ist bei der Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe ab 17. März 2009 von einem monatlichen Einkommen in Höhe von 320,26 € ausgegangen (Bescheid vom 27. Januar 2009). Am 29. Februar 2008 beantragte die Klägerin Wohngeld, das mit Bescheid vom 10. März 2008 abgelehnt worden ist.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 lehnte der Beklagte den Antrag auf Zuschussgewährung ab, da die Klägerin mit den von ihr nachgewiesenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in der Lage sei, die ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und brachte vor, Freibeträge seien nicht berücksichtigt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Entsprechend der gemeindebezogenen Angemessenheitsgrenzen im Rhein-Neckar-Kreis sei von einer maximalen Miete pro qm von 6,10 € auszugehen. Daher errechne sich eine angemessene monatliche Kaltmiete von 275,- €. Laut Mietvertrag habe sie 25,- € Nebenkosten und 30,- € Heizkostenanteil zu bezahlen, so dass sich der Bedarf abzüglich der Heizkostenpauschale von 6,63 € auf 323,37 € belaufe. Der Anteil für Kosten der Unterkunft, der in der Berufsausbildungsbeihilfe enthalten sei, belaufe sich auf 218,- €. Anzurechnen sei w...