Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Streit über Kostenerstattung für teilstationäre psychiatrische Behandlung in privater Tagesklinik. Satzungsregelung der Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
Leistungen durch einen nicht zugelassenen Leistungserbringer können im Rahmen von § 11 Abs 6 SGB V in Ausnahmefällen erbracht werden, wenn dies die Satzungsregelung der Krankenkasse vorsieht. Allerdings ist zu unterscheiden, ob es sich um einen reinen Sachleistungsanspruch handelt (wie hier § 27d der Satzung der Beklagten), der nicht zu einem nachträglichen Kostenerstattungsanspruch führt, oder ob auch ein solch nachträglicher Kostenerstattungsanspruch eröffnet werden soll (hier verneint).
Orientierungssatz
Zum Streit über die Erstattung der Kosten für eine teilstationäre psychiatrische Behandlung in einer privaten Tagesklinik.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Mai 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine teilstationäre psychiatrische Behandlung, welche die Klägerin in Begleitung ihrer Mutter vom 27. November 2018 bis 25. Januar 2019 im Familientherapeutischen Zentrum N., einer privaten Tagesklinik, durchgeführt hat.
Die 2008 geborene Klägerin war bis 31. Juli 2019 über ihren Vater als Stammversicherten bei der Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert. Wegen einer mittelgradigen depressiven Episode befand sie sich ab April 2018 in kinder- und jugendpsychotherapeutischer Behandlung. Im November 2018 entwickelte sie Episoden mit auffälligem Verhalten, wie insbesondere Weinen, Ballen der Fäuste, motorischer Unruhe, Strampeln der Beine und Schlagen des Kopfes gegen eine Wand, die mehrmals täglich anfallsartig auftraten. Zur Abklärung der Symptomatik wurde sie vom 15. bis 16. November 2018 in der Neuropädiatrischen Abteilung des Universitätsklinikums M. stationär aufgenommen. Im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes wurden die Diagnosen Ruhelosigkeit und Erregung gestellt und der Verdacht einer Überreaktion bzw. Überforderung nach Schulwechsel von der Waldorfschule auf das Gymnasium geäußert. In der Zusammenschau der Befunde sei nicht von einer somatischen Ursache für die Beschwerden, sondern von einer psychischen Überlagerung auszugehen. Die Symptome könnten im Zusammenhang mit einer Anpassungsstörung oder Traumatisierung (dissoziative Störung) stehen, allerdings bei fehlenden Hinweisen auf ein Trauma. Empfohlen wurde die Fortsetzung der psychologischen Betreuung, gegebenenfalls auch ein teilstationärer oder stationärer Aufenthalt (vgl. Entlassbrief des Universitätsklinikums M vom 16. November 2018).
Noch am Tag der Krankenhausentlassung (16. November 2018) stellte sich die Klägerin wieder in der behandelnden Praxisgemeinschaft vor. Mit therapeutischer Stellungnahme vom 21. November 2018 stellten K und T ausgehend von den Diagnosen mittelgradige depressive Episode sowie Verdacht auf psychogene Anfälle mit dissoziativen Symptomen und Selbstverletzung die Indikation für eine mindestens teilstationäre Behandlung. Selbst eine hochfrequente ambulante Verhaltenstherapie reiche aktuell nicht mehr aus, um eine nachhaltige Entlastung, einen Rückgang der psychogenen Anfälle sowie eine Wiederherstellung des Schulbesuchs zu erzielen. Trotz einer Befreiung vom Schulbesuch und enger therapeutischer Krisenbegleitung habe sich das Befinden der Klägerin nicht nachhaltig verbessert. Im Gegenteil nehme der gesamtfamiliäre Leidensdruck von Tag zu Tag eher zu; insbesondere die Mutter sei aufgrund der plötzlich eingetretenen Verschlechterung zeitlich und emotional völlig eingespannt. Im psychopathologischen Befund sei die Klägerin psychomotorisch unruhig und habe Versagensängste, ein deutlich vermindertes Selbstwertgefühl und hohe Ansprüche an eigene Leistungen. Es komme zu einer raschen Reizüberflutung und Unwohlsein bei hohem Geräuschpegel. Daneben bestünden rezidivierende Kopf- und Bauchschmerzen sowie Einschlafstörungen. Empfohlen werde eine enge Einbeziehung der Bezugspersonen in die (teil-)stationäre Behandlung, da das Interaktionsverhalten zwischen Eltern und Kind einerseits eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der Symptomatik spiele und andererseits die Eltern darin zu stärken seien, wie sie mit der Emotionalität und Sensibilität der Klägerin umgehen und in ihrem Erziehungsverhalten eine für alle tragbare Balance aus Schutz/Fürsorge und Konfrontation/Förderung realisieren könnten.
Am 21. November 2018 beantragte die Mutter der Klägerin bei der Beklagten telefonisch die Übernahme der Kosten für eine Behandlung der Klägerin im Familientherapeutischen Zentrum N (im Folgenden: FaTZ). Den Antrag beschied der Sachbearbeiter der Beklagten bereits im Rahmen des Telefonats abschlägig. Mit Bescheid vom 22. November 2018 lehnte die Beklagte eine Beteiligung an den Behandlungskosten in der gewünschten Einrichtung nochmals schr...